Estland:Regierung auf Siegkurs

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  • Nach ersten Hochrechnungen zeichnet sich bei der Wahl zum estnischen Parlament ein klarer Sieg für die Mitte-Links-Koalition von Ministerpräsident Taavi Roivas ab.
  • Die russlandfreundliche Zentrumspartei verliert demnach deutlich.
  • Wegen des Ukraine-Konflikts herrscht in Estland große Sorge, Russland könne seinen Einfluss auf die große russischsprachige Minderheit im Land nutzen, um das Land zu destabilisieren.

Von Frank Nienhuysen

Inmitten heftiger Spannungen mit Russland hat das benachbarte baltische Estland am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen am Abend zeichnete sich ein klarer Sieg der Mitte-Links-Koalition von Ministerpräsident Taavi Roivas ab. Demnach kann der 35-jährige Roivas, jüngster Regierungschef in einem EU-Staat, voraussichtlich die Regierung aus seiner Reformpartei und den Sozialdemokraten mit einer absoluten Mehrheit weiterführen.

Russlandfreundliche Partei verliert deutlich

Den vorläufigen Ergebnissen zufolge hat die als russlandfreundlich geltenden oppositionellen Zentrumspartei deutlich verloren. Sie hat ihre Anhänger hauptsächlich in der großen russischen Minderheit. Jeder fünfte Wähler stimmte per E-Voting am Computer ab.

In Estland gibt es wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt große Sorge auch um die eigene Sicherheit. Erst am Donnerstag hatte Russland nahe der estnischen Grenze ein Manöver mit mehr als 2000 Soldaten begonnen. Als eine der Übungen war auch ein Massenabsprung mit russischen Fallschirmjägern geplant.

Im Westen, vor allem im Baltikum, fürchten viele, dass Russland Estland destabilisieren und die Beistandsgarantie der Nato testen könnte. Von den 1,3 Millionen Menschen in Estland sind etwa 300 000 russischsprachig. Von diesen hat etwa ein Drittel russische Staatsangehörigkeit, ein weiteres Drittel sind "Nichtbürger", geboren und aufgewachsen zu Sowjetzeiten. Sie haben einen besonderen Pass, mit dem sie problemlos nach Russland pendeln können.

Militärparade provozierte Russland

Auch Moskau fühlte sich vor wenigen Tagen provoziert. Am Mittwoch wurde in der estnisch-russischen Grenzstadt Narva zum Unabhängigkeitstag eine Militärparade abgehalten, an der auch etwa hundert Soldaten aus den USA, Großbritannien und anderen Nato-Staaten teilnahmen. Narva ist nur durch einen schmalen Fluss und der "Brücke des Friedens" vom russischen Iwangorod getrennt. In der Grenzstadt spricht nahezu jeder Einwohner Russisch.

Obwohl Estland seit 2004 Mitglied der Nato und der Europäischen Union ist, schauen die meisten Menschen in Narva russisches Fernsehen. Auch darauf spielte offenbar Präsident Toomas Hendrik Ilves bei der Militärparade an, als er die estnische Parlamentswahl als "Votum der Demokratie" bezeichnete, die auf dem "Triumph der Wahrheit" basiere. Das allein soll allerdings nicht genügen. Mit eigenen russischsprachigen Rundfunksendern will das Land auch gezielt die große russischsprachige Minderheit ansprechen und eine Alternative zu den staatlich gelenkten russischen Programmen bieten, in denen Oppositionsmeinungen praktisch nicht vorkommen.

Dass die Militärparade ausgerechnet in Narva und unter Beteiligung von Nato-Soldaten stattfand, dürfte ein klares Zeichen der Allianz an Russland sein, dass sie sich der Bündnistreue gegenüber dem baltischen Staat verpflichtet sieht. Russland hatte in den vergangenen Monaten die Zahl der Flugmanöver im Ostseeraum erhöht. Kampfjets der Nato fingen dabei auch bereits ein russisches Aufklärungsflugzeug ab, das über Estland in den Luftraum der Nato geflogen war.

Estland investiert zunehmend in seine Sicherheitspolitik

Der estnische Verteidigungsminister Sven Mikser versuchte zwar zuletzt die Bevölkerung zu beruhigen und sagte, es bestehe kein Anlass zu Panik. Trotzdem investiert das Land zunehmend in seine Sicherheitspolitik. 40 Millionen Euro sollen in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden, damit die Nato ihre Präsenz in Estland erhöhen kann. Das Bündnis hat bereits vor einem Jahr begonnen, symbolisch das Kontingent im Baltikum zu verstärken.

Neben der Sicherheitspolitik beherrschten auch Wirtschafts- und Sozialthemen den Wahlkampf. So finden etwa Angehörige der russischsprachigen Minderheit noch immer schwer eine Arbeitsstelle. Ein Grund, weshalb Tallinns Bürgermeister Savisaar und seine Zentrumspartei bei den Russischsprachigen die meisten Anhänger findet.

© SZ vom 2.3.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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