Erweiterte Realität:Man traut seinen Augen nicht

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Eine neue Brille könnte Computer überflüssig machen. Mit Hologrammen wird alles, was sich sonst auf einem Monitor abspielt, dreidimensional in den Raum projiziert.

Von Andrian Kreye

Neulich im Vorführraum von Firmengründern im kalifornischen Silicon Valley. Da setzten einem die sehr jungen Chefs des Neu-Unternehmens Meta eine Spezialbrille für "augmented reality" auf. Das bedeutet "erweiterte Realität", nicht zu verwechseln mit der "virtual reality", der "virtuellen Realität". Letzteres sind Rundumfilme, die man sich in diesen Augenkinos ansieht, die Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gerade jedem aufdrängen will.

Bei der "erweiterten Realität" schaut man prinzipiell frei durch die Gläser. Es geht eben nicht um einen digitalen Kokon für Filme und Spiele, sondern darum, den Computer abzuschaffen. Das versuchen sie im Silicon Valley schon länger. Die Verlagerung persönlicher Daten in die "Cloud" hat ganz gut geklappt, auch wenn das gar keine Wolke ist, sondern eine Ansammlung von Firmenspeichern in der amerikanischen Provinz. Apple hat die Menschen dazu gebracht, statt Computer zu bedienen auf kleinen Glasscheiben herumzuwischen. Google wollte auch dies abschaffen, scheiterte aber mit seiner Brille, weil man auf dem Mikroschirm kaum etwas erkennen konnte.

Auch die jungen Chefs von Meta wollen, dass man kein Gerät mehr anfasst. Dafür wird mit Hologrammen alles, was sich sonst auf einem Computerbildschirm abspielt, dreidimensional in den Raum projiziert. So wird man Teil des Bildschirms.

Die Vorführung beginnt. Zehn Fenster schweben im Raum. Ganz wie im World Wide Web, nur dass sie eben wie Geister vor einem auftauchen. Greift man in diese Browserfenster aus Licht, signalisiert ein Blinken, dass man das Fenster "angefasst" hat. Der Versuch zeigt eine Wikipediaseite über Anatomie. Man kann sie zu sich heranziehen. Schrift und Bilder werden immer deutlicher. Dann greift man sich das Bild eines anatomischen Modells, zieht es aus der Seite, das Bild zerlegt sich und wie in einem Lehrbuch fächert sich der Körper nun auf - Skelett, Muskeln, Adern, Hautschichten. Ähnlich funktioniert das auf einer Shoppingseite mit einem Turnschuh, einem Auto.

Dann klingelt es. Ein Anruf. Ein Techniker von Meta steht als Hologramm vor einem. Man darf sich das wirklich so vorstellen wie in der "Star Wars"-Szene, in der Prinzessin Leia ihrem Bruder Luke Skywalker als Hologramm erscheint. Der Techniker unterhält sich mit einem. Dann reicht er einem ein äußerst detailliertes Architekturmodell der Oper von Sidney. Zum Schluss noch einen Ball. Der lässt sich quetschen, dehnen, dribbeln.

Man kann auf einem Blatt Zeitungspapier schwer wiedergeben, wie beeindruckend die Vorführung ist. Eines ist sicher - wenn man als Journalist über digitale Dinge berichtet, ist man nicht leicht zu beeindruckend. Doch so ein ähnliches Erlebnis gab es zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren bei der Vorführung des ersten Webbrowsers. Statt Ziffern und Zeichen zeigte der Schirm damals plötzlich Filme, Schriften, Bilder. Das veränderte alles.

Microsoft baut nun auch so eine Hologrammbrille. Fraglich, ob sich solche Brillen schon bald durchsetzen. Auf die Kalauerfrage, wann das Modell denn als Kontaktlinse herauskommt, antworten die sehr jungen Meta-Chefs allerdings ganz ernst - fünf, sechs Jahre würde das schon noch dauern. Jaja, sagen sie, das wäre schon noch lang hin.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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