Entscheidung des Bundesgerichtshofs:Noten für Ärzte - Richter ziehen Grenzen

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Bewertungsportale wie Jameda für Mediziner müssen strikte Neutralität wahren. Sonst haben die Beurteilten ein Recht, ihre Daten löschen zu lassen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Bewertungsportale müssen bei der Vermittlung von Informationen die Neutralität wahren - andernfalls können Betroffene ihr Profil löschen lassen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil zum Ärztebewertungsportal Jameda entschieden. Das Gericht gab am Dienstag einer Dermatologin aus Köln recht, die nicht länger hinnehmen wollte, bei Jameda gegen ihren Willen registriert und damit den Bewertungen von Patienten ausgesetzt zu sein. Laut dem BGH sind die Ergebnisse einer Arztsuche auf dem Portal nicht ausreichend neutral zusammengestellt. Und zwar deshalb, weil zahlende Jameda-Kunden gegenüber anderen Ärzten bevorzugt werden: Rufen Patienten das Profil eines Arztes auf, der kein Premium-Paket gebucht hat, bekommen sie auch die örtliche Konkurrenz angezeigt. Premium-Kunden bleiben dagegen von solcher Werbung unbehelligt. Dies verletze das Recht der Ärztin auf "informationelle Selbstbestimmung". Denn damit habe Jameda seine "Stellung als neutraler Informationsmittler" verlassen, heißt es in dem Urteil des BGH.

Zu massenhaften Löschungen von Ärzteprofilen wird es nach dem Urteil aber voraussichtlich nicht kommen. Jameda - offenbar vorbereitet auf die Niederlage in Karlsruhe - hat umgehend reagiert und die vom BGH beanstandete Anzeige konkurrierender Ärzte abgeschaltet. Damit gebe es trotz des Urteils keinen Anspruch auf Löschung, sagte Geschäftsführer Florian Weiß. Jameda werde auch weiterhin vollständige Ärztelisten zeigen.

Tatsächlich dürfte mit der raschen Reaktion des Portals die Grundlage für Löschungsansprüche entfallen sein. Der Senatsvorsitzende Gregor Galke wies bei der Urteilsverkündung ausdrücklich auf die BGH-Grundsatzentscheidung von 2014 hin. Damals hatte das Gericht die Ärztebewertung von Jameda für zulässig erklärt; allerdings war im damaligen Verfahren noch nicht von Werbung die Rede. "An diesem Grundsatz hält der Senat fest", sagte Galke. Solche Geschäftsmodelle hätten - ihre Neutralität vorausgesetzt - ihren "legitimen Platz" im Feld der Meinungsfreiheit.

Damit bleibt das Gericht zumindest im Grundsatz bei der Linie, die schon seit seinem ersten Urteil zu dem Thema gilt - zu den Zensuren für Lehrer auf spickmich.de. Stets hatte die Meinungsfreiheit den Vorrang vor den Datenschutzinteressen der Betroffenen. So wurde zum Beispiel die Bewertung von Hotels, von Ärzten oder - beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - von Anwälten für zulässig erachtet. Der inhaltliche Spielraum, den die Gerichte den Bewertungen gewähren, ist groß; es wurden schon Attribute wie "Hühnerhof" (für ein Hotel) oder "Psychopath" (für einen Hochschulprofessor) gebilligt.

In jüngster Zeit scheint die Haltung zu Bewertungsportalen generell skeptischer geworden zu sein. 2016 verpflichtete der BGH Jameda zu Nachforschungen, falls ein Arzt die Bewertung für unbegründet hielt. Auch außerhalb der Gerichte lassen sich kritische Bestandsaufnahmen beobachten. Im Herbst kündigte das Bundeskartellamt an, sich die Portale hinsichtlich ihrer Transparenz und wirtschaftlichen Verflechtungen genauer anzusehen.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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