Embryospende:Zwei Mütter, zwei Väter, ein Kind

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Der Ethikrat ist dafür, die Embryospende gesetzlich zu regeln. Mit 16 soll ein Jugendlicher wissen dürfen, wer seine biologischen Eltern sind.

Von Kim Björn Becker und Hannes Vollmuth, München/Berlin

Der Deutsche Ethikrat hat sich dafür ausgesprochen, dass das umstrittene Verfahren der sogenannten Embryospende in Deutschland grundsätzlich zugelassen wird. Zugleich hat der Rat den Gesetzgeber aufgefordert, klare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Übertragung von Embryos sei in Deutschland "unter bestimmten Voraussetzungen nicht verboten, sie ist aber auch nicht geregelt", sagte die Vorsitzende des Gremiums, Christiane Woopen, bei der Vorstellung eines Gutachtens am Dienstag in Berlin.

Die Embryospende ( siehe Kasten) wird in Deutschland spätestens seit dem Jahr 2013 praktiziert. Dabei entsteht, was eine "gespaltene Mutterschaft" genannt wird. Der Gesetzgeber wollte dies ursprünglich verhindern, als er Anfang der Neunzigerjahre das Embryonenschutzgesetz beschlossen hat. Das Gesetz erlaubt aber Ausnahmen. Wenn bei einer künstlichen Befruchtung mehr Embryonen entwickelt wurden als benötigt, können die überzähligen Exemplare freigegeben werden. Es ist aber verboten, Embryonen zum Zweck einer Spende zu entwickeln. Dabei soll es nach Ansicht des Ethikrats auch bleiben. Dieser hat in seinem Gutachten einige Eckpunkte für ein mögliches neues Gesetz formuliert. Sobald der Embryo übertragen wird, soll "die rechtliche Elternschaft" auf das Empfängerpaar übergehen, und die Spender sollen bei erfolgreicher Geburt "dauerhaft keine Elternrechte und -pflichten mehr haben". Das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung müsse "ausdrücklich" berücksichtigt werden. Kinder aus Embryospenden sollen im Alter von 16 Jahren erfahren können, wer ihre biologischen Eltern sind, ohne dass es dafür einer Begründung bedarf. Nach den Vorstellungen des Ethikrats sollen die jungen Erwachsenen dann umfassend informiert werden - auch über genetische Geschwister.

Wenn ein Embryo adoptiert wird, dann möglichst von zwei Elternteilen, so lautet die Empfehlung der Ethiker. Was für ein Paar das sein soll, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Verheiratet oder in einer rechtlichen Partnerschaft lebend, lautet die Mehrheitsmeinung. Für eine Minderheit im Ethikrat geht es auch ohne eingetragene Partnerschaft. Und eine weitere Minderheit ist der Meinung, dass nur verheiratete Paare Embryonen adoptieren dürfen sollen. Ob das auch gleichgeschlechtliche Paare einschließt, dazu gibt es im Ethikrat ebenfalls geteilte Meinungen. "Es wäre idealerweise Vater und Mutter, aber es könnten auch einzelne Sondersituationen sein", sagte der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Sollten eines Tages auch gleichgeschlechtliche Paare Embryonen adoptieren dürfen, dann sollten die neuen Eltern aber mindestens "untereinander verpartnert" sein. Harald Terpe, Gesundheitspolitiker der Grünen im Bundestag, nannte es "nicht nachvollziehbar", warum "die Mehrheit des Ethikrates Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnerschaften ein Adoptionsrecht zugestehen will, nicht aber Lebensgemeinschaften ohne Trauschein." Ausschlaggebend sollte allein das Kindeswohl sein, forderte Terpe, und nicht der rechtliche Status der Eltern.

Die Produktion überzähliger Embryonen müsse auch weiterhin "möglichst vermieden" werden, sagte Terpe weiter. Auch dürfe die Vermittlung von Embryonen "nicht länger in der Hand von privaten Reproduktionszentren liegen". Der Staat müsse dafür sorgen, dass das Kind sein Recht auf Kenntnis der Abstammung wahrnehmen kann. Derzeit bringt das "Netzwerk Embryonenspende" Paare zusammen. Bis Ende 2015 habe es knapp 180 Anfragen gegeben, es kam zu 57 Spenden und 45 Übertragungen. In 15 Fällen gelang eine Schwangerschaft, siebenmal verlief sie erfolgreich. In Deutschland sollen bereits neun Kinder aus einer Embryospende entstanden sein. Das Netzwerk dokumentiert Spender und Empfänger in einer Datei. Der Ethikrat sprach sich aber indirekt dafür aus, dem als "Verein in Gründung" firmierenden Netzwerk diese Aufgabe zu entziehen. Er schlug vor, dass "eine zentrale Einrichtung wie etwa das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben damit betraut werden" soll. Der Vorstand des Netzwerks war bis Redaktionsschluss am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ein sieben Wochen alter Embryo in einer Fruchtblase. (Foto: Peter Endig/dpa)

Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte an, das Ministerium werde die Empfehlungen des Ethikrats "sorgsam prüfen". Sie betonte, dass "komplexe rechtliche, ethische und gesellschaftliche Fragen" berührt seien, die auch mit dem Justiz- und dem Familienministerium besprochen werden müssen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unterstützte die Forderung des Rats, die Embryospende in Zukunft gesetzlich zu regeln. Das Thema müsse breit debattiert werden, sagte Lauterbach. Das benötige aber Zeit.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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