Elektronische Fußfessel:Mein Haus ist mein Gefängnis

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Zuhause, aber doch in Haft: Baden-Württemberg will beim Strafvollzug Kosten einsparen und Häftlinge mit elektronischen Fußfesseln versehen. Richter und Kriminologen sind skeptisch.

Heribert Prantl

Der Strafvollzug im Südwesten Deutschlands wird in Kürze ganz anders aussehen als gewohnt: Noch in diesem Jahr soll in Baden-Württemberg die elektronische Fußfessel eingeführt werden.

Ausgelagerte Haft: Mit elektronischen Fußfesseln will Baden-Württemberg Kosten sparen. (Archivbild von 1994) (Foto: Foto: dpa)

Ausgewählte Straftäter, die sonst ins Gefängnis müssten, dürfen dann, technisch überwacht, zu Hause bleiben. Das "Gesetz über die elektronische Aufsicht im Strafvollzug" soll Ende März im Landtag eingebracht werden. "Wenn der keine umfangreichen Anhörungen wünscht", so erklärte das Stuttgarter Justizministerium der Süddeutschen Zeitung, werde das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Sodann soll der Fußfessel-Modellversuch "mit einem externen Vertragspartner verwirklicht werden". Das heißt: Die "technische Überwachung" und die "psychosoziale Betreuung" sollen zusammengelegt und nicht vom Staat, sondern von einem privaten Anbieter übernommen werden.

In Hessen ist ein Gefängnis (die Justizvollzugsanstalt Hünfeld mit 502 Plätzen) vor drei Jahren teilprivatisiert worden; das Projekt ist nach wie vor heftig umstritten. Es wird kritisiert, dass der Kern staatlicher Hoheitsgewalt nicht privatisiert und kommerzialisiert werden dürfe. Baden-Württemberg geht einen anderen Weg, aber mit demselben Ziel: Der Strafvollzug soll billiger werden.

Die Haft wird aus dem Gefängnis ausgelagert, in die Wohnung des Straftäters verlegt und von einer Privatfirma kontrolliert. Der Straftäter sitzt nicht mehr in einer staatlichen Vollzugsanstalt, sondern bei sich zu Hause. Dort sitzt er also, wie gewohnt, tagsüber an seinem Computer oder vor dem Fernseher und liegt nachts in seinem eigenen Bett.

Dass er sich in Strafhaft befindet, sieht man nur, wenn man genau hinschaut: Am Fußgelenk trägt er eine armbanduhrähnliche elektronische Fessel mit einem Minisender, der überwacht, ob sich der Täter an die Anweisungen hält. Diese lauten wie folgt: Der Delinquent darf seine Wohnung nicht oder nur zu bestimmten Zeiten, zum Beispiel zur Arbeit, verlassen.

Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt Peter Danckert hat schon beim Deutschen Juristentag 1992 für den Hausarrest als "humanere Alternative zum Strafvollzug" geworben. Das Argument: Der Verurteilte wird nicht herausgerissen aus seinem Umfeld. Ein weiteres: Diese Überwachung ist billiger als die Zelle; ein Tag dort kostet den Staat so viel wie die Unterbringung des Häftlings im Mittelklassehotel. Des Kostendrucks wegen wurde der elektronische Hausarrest vor 27 Jahren in Florida erfunden.

Die Neue Richtervereinigung protestiert heftig gegen das geplante Fußfessel-Gesetz. Man befürchtet, dass der Heim-Knast nur "besseren" Straftätern zugutekommt - Verurteilten mit fester Arbeit, eigener Wohnung und aus passablen sozialen Verhältnissen. Kriminologen fürchten zudem, dass die Fußfessel weniger als Ersatz für das Gefängnis, sondern zur Verschärfung der Aufsicht von Straftätern eingesetzt werden wird.

Im Ausland hat man die Erfahrung gemacht, dass die Richter weiterhin so viele Straftäter hinter Gitter schicken wie bisher, und im Hausarrest eher eine Alternative zur Geldstrafe sehen. Im Übrigen gibt es die Sorge, dass sich beim Verurteilten die Erleichterung über die ersparte Haftstrafe bald legt; der Frust wächst, der Alkoholkonsum auch - es kommt zu Gewalttätigkeiten gegen Familienmitglieder. Der fußgefesselte Verurteilte entgeht der leider alltäglichen Gewalt hinter Gittern, wird aber womöglich selbst zur häuslichen Gefahrenquelle.

© SZ vom 23.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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