Eklat in Cambridge:Chinas Ministerpräsident mit Schuh beworfen

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Bei einer Rede an der Cambridge-Universität kam es zum Eklat: Ein Zuhörer warf einen Schuh nach Regierungschef Wen Jiabao. Chinas Medien verschwiegen den Vorfall.

Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao ist am Montag bei einer Rede in der englischen Universität Cambridge mit einem Schuh beworfen worden. Der Demonstrant verfehlte den Politiker und wurde festgenommen.

Die Tatwaffe: Mit diesem Schuh bewarf ein Zuhörer den chinesischen Ministerpräsidenten - und verfehlte ihn. (Foto: Foto: Reuters)

Wen ließ sich durch den Vorfall nicht weiter aus der Ruhe bringen. Nach einer Pause von nur wenigen Sekunden setzte er seine Rede fort. Einer seiner Mitarbeiter betrat ruhig die Bühne, sammelte den grauen Sportschuh auf und entfernte ihn.

Der Demonstrant hatte die Rede zunächst von einer der hinteren Reihen verfolgt. Plötzlich sprang er auf und rief: "Das ist ein Skandal. Wie könnt ihr den Lügen dieses Diktators zuhören?" Der geworfene Schuh verfehlte Wen um knapp einen Meter. Ein Ordner führte den Mann ab, die Polizei nahm ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung fest und brachte ihn zum Verhör auf eine Wache, wie eine Sprecherin mitteilte. Der 27-Jährige solle am Dienstag kommender Woche einem Richter vorgeführt werden, sagte eine Polizeisprecherin am Montagabend

"Die Universität ist ein Ort für Diskussionen, Debatten und wohlüberlegte Argumente, nicht aber fürs Schuhwerfen", sagte Universitätssprecher Tim Holt. Wen hält sich derzeit zu einem dreitägigen Besuch in Großbritannien auf. Im Mittelpunkt der Gespräche mit der Regierung stehen dabei die Wirtschaftsbeziehungen.

Der Vorfall erinnert an den Besuch des früheren US-Präsidenten George W. Bush in Bagdad, der dort im Dezember von einem Reporter während einer Pressekonferenz mit einem Schuh beworfen wurde. Der Journalist Mutadhar al Seidi wartet derzeit in Untersuchungshaft in Bagdad auf den Beginn seines Prozesses wegen eines Angriffs auf einen ausländischen Staatschef.

Die chinesischen Medien haben den Schuh-Wurf auf Ministerpräsident Wen komplett verschwiegen. Einträge im Internet zu dem Thema wurden offenbar rasch gelöscht. Bei der populärsten chinesischen Suchmaschine, Baidu, gab es keinen Hinweis auf den Zwischenfall. Schuh ist offenbar nicht gleich Schuh: Über den Wurf eines irakischen Journalisten auf Bush wurde in chinesischen Medien rasch und breit berichtet.

Zeitungen und Fernsehen berichteten über Wens Besuch in Großbritannien, auch über die Rede des Regierungschefs in der englischen Cambridge University - jedoch wurde der Schuh-Wurf mit keinem Wort erwähnt. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, Großbritannien habe wegen eines "Zwischenfalls", den China scharf verurteilt habe, um Entschuldigung gebeten. Was der "Zwischenfall" war, wurde aber nicht gesagt. Im staatlichen Fernsehen CCTV war unspezifisch von einer "Störung" die Rede - auch hier ohne Erklärung. In der Übertragung der Rede blieb die Kamera auf Wen fixiert, nur das Geräusch des auf die Bühne fallenden Schuhs konnte vernommen werden.

Wens Besuch in London war von Protesten gegen die chinesische Tibet-Politik und von Demonstrationen von Menschenrechtlern überschattet.

Eine Google-Suche nach dem Vorfall ergab einen Link zum Forum Tianya, einem der populärsten in China. Dort hatte ein Nutzer gefragt, was bei der Rede in Cambridge passiert war. Der Inhalt war aber am Dienstag schon gelöscht, Klicks auf den Link gingen ins Leere.

China kontrolliert das Internet restriktiv. Wie in allen anderen Medien des Landes werden Inhalte zensiert, die von Regierung oder Kommunistischer Partei als kritisch betrachtet werden. Selbst bei der Rede Barack Obamas zur Amtseinführung als US-Präsident wurden unliebsame Passagen einfach rausgestrichen.

© AP/AFP/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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