EKD-Synode:Taufbefehl begrenzt

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Das Evangelium soll nicht mehr allen verkündet werden: die Eröffnung der EKD-Synode im Magdeburger Dom St. Mauritius und Katharina. (Foto: Peter Gercke/dpa)

Das Evangelium soll nur noch eingeschränkt verkündet werden: Die evangelische Kirche will auf ihrer Synode beschließen, dass Juden nicht mehr missioniert werden sollen.

Von Matthias Drobinski, Magdeburg

Die Angelegenheit ist heikel. Man kann ja nicht bestreiten, dass Jesus seinen Jüngern auftrug, allen Menschen das Evangelium zu verkünden. Andererseits: Kann das heute noch für Juden gelten, nach Jahrhunderten christlicher Judenfeindschaft, samt Mord und Zwangsbekehrung? Der Missionsauftrag sollte für Juden nicht mehr gelten, bat vor einem Jahr Joseph Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, als er zu Gast bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war. Das traf sich durchaus mit dem, was die Mehrheit des Kirchenparlaments wünschte. Entsprechend gibt es jetzt, beim Treffen des Kirchenparlaments in Magdeburg, den Entwurf einer Erklärung über "Christen und Juden als Zeugen der Treue Gottes". "Judenmission" sagt man nur in Anführungsstrichen, jedes Wort könnte falsch verstanden werden.

Dabei ist man sich in den großen Kirchen schon lange einig, dass es sich nach dem Judenmord der Nationalsozialisten verbietet, systematisch um Juden zu werben. Es gibt aber gerade im evangelikalen Bereich Gruppen, die das anders sehen. Besonders umstritten sind die "messianischen Juden", eine überwiegend aus Russland stammende Gruppe, die auch in Deutschland Anhänger hat: Sie verstehen sich als Juden, die Jesus als den verheißenen Messias ansehen und offensiv unter Juden um Anhänger werben. Juden empfinden das als Provokation und verdeckte christliche Mission; tatsächlich haben die messianischen Juden vor allem Kontakte zu einigen Freikirchen und werden auch von dort unterstützt.

Da möchte nun die Erklärung der EKD-Synode für Klarheit sorgen, gerade im Reformationsjahr als weitere Distanzierung vom Antisemitismus Martin Luthers. Sie setzen dem Taufbefehl Jesu eine Stelle aus dem Römerbrief des Apostels Paulus entgegen: "Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne!" Sie zitiert die EKD-Synode, die schon 1950 erklärte, "dass Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist". Das Fazit lautet: "Ein christliches Glaubenszeugnis, das darauf zielt, Juden zum Glauben an Jesus Christus zu bekehren, widerspricht dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der Erwählung Israels." Die Menschen könnten den Widerspruch zwischen den unterschiedlichen Bekenntnissen nicht lösen: Das "stellen wir Gott anheim", heißt es.

Im Vorfeld der Synode hat es einiges Gegrummel über das Vorhaben gegeben: Dürfen jetzt Christen nicht mehr gegenüber Juden von ihrem Glauben reden, ihren Glauben bezeugen? Und wie verhält sich die evangelische Kirche zu diesem Missionsauftrag Jesu - ist ihr der nicht insgesamt ein bisschen peinlich geworden? Als aber in Magdeburg die Diskussion über den Entwurf ansteht, kommen die Einwände höchst vorsichtig daher: Könnte man nicht an einigen Stellen weniger entschieden formulieren? "Da hat die Vorbereitungsgruppe ganze Arbeit geleistet", sagt ein Synodaler. Bloß kein offener Streit über das schwierige Thema.

So werden sich die Erben Martin Luthers mit großer Wahrscheinlichkeit an diesem Mittwoch förmlich von der Judenmission verabschieden, in einem durchaus historischen Akt - auf den Tag genau 78 Jahre nach jenem 9. November 1938, an dem die Gewalt der Nationalsozialisten gegen die Juden einen ersten Höhepunkt erreichte. Inwieweit das die messianischen Juden und ihre Unterstützer beeindrucken wird, ist eine andere Sache: Sanktionen soll es nicht geben, wenn jemand die Erklärung ignoriert.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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