Eine Frage der Ehre:"Kamerad, da gibt es kein Zurück"

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Die Solidaritätsadresse an MdB Hohmann war für den entlassenen General Günzel Ehrensache.

Von Hans Leyendecker und Reymer Klüver

Im Norden des Schwarzwalds, in Calw, ist die Sondereinheit "Kommando Spezialkräfte" (KSK) stationiert. Besucher gelangen nur nach aufwändigen Sicherheitskontrollen aufs Gelände. Die KSK-Soldaten tragen keine Namensschilder, keine Dienstgradabzeichen und sind vermummt, wenn sie etwa mit Journalisten reden.

"Spezialkräfte sind wie scheue Rehe, sie meiden die Öffentlichkeit", erklärte gern der bisherige Kommandeur, Brigadegeneral Reinhard Günzel.

Vom 6. bis zum 10. August 2001 war ein Politiker fünf Tage lang zu Besuch in der Graf-Zeppelin-Kaserne, und das Klima soll sehr freundlich und offen gewesen sein.

Der Fuldaer CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann, Major der Reserve, weilte zu einer Informationsübung bei der KSK. Die Verbindung hielt. Als Hohmann in der vorigen Woche wegen antisemitischer Äußerungen in Bedrängnis geriet, schrieb ihm Günzel einen Brief: Der Abgeordnete solle sich "durch Anwürfe aus dem vorwiegend linken Lager nicht beirren lassen und mutig weiterhin Kurs halten".

Als der Brief an den Kameraden publik wurde, war Günzels Bundeswehr-Laufbahn beendet.

Der da von Bundesverteidigungsminister Peter Struck sofort gefeuert wurde, hat als Soldat eine erstaunliche Karriere gemacht. Als Truppenoffizier brachte er es zum Brigadegeneral.

Die Elite der Armee

Eine Generalstabsausbildung, wie sie normalerweise erforderlich ist für die höchsten Ränge der Bundeswehr, hat Günzel nie absolviert. Das hat ihm bei der Truppe viel Respekt verschafft. Seine Leute, heißt es bei der Bundeswehr, seien für ihn durch dick und dünn gegangen.

Günzel, der im Juni 1944 als Spross einer Schauspielerfamilie in Den Haag geboren wurde, ist seit 1963 bei der Bundeswehr. Er begann bei dem Fallschirmjägerbataillon 261 in Lebach. Fallschirmjäger fühlen sich als die Elite der Armee, gerade in ihren Kreisen wurde oft eine national-konservative Orientierung gepflegt.

In Tübingen hat Günzel Geschichte und Philosophie studiert. Höhepunkt seiner Karriere war die Ernennung zum Kommandeur der KSK am 24. November 2000.

Ein Raubein, ein Marathonläufer, einer, der auch den Jungen noch was vormachen konnte - Elite eben. Zur KSK kämen ohnehin nur "Idealisten", hat er im Frühjahr 2003 in einem Vortrag bei der Clausewitz-Gesellschaft erklärt.

Aber - gab es da noch einen anderen Günzel, einen, der mit Rechtsradikalen sympathisierte? In seiner Akte findet sich dafür kein Beleg. Doch: "Man kann niemandem hinter die Stirn gucken", sagt Struck.

Respekt und Tradition

Und Günzel, das steht zu vermuten, hat eine andere Wahrnehmung von Wirklichkeit als der ungediente Minister. Als 1995 der erzkonservative Fuldaer Bischof Johannes Dyba, der zugleich auch Militärbischof war, in Saarlouis Günzel besuchte, klagte dieser, es falle zunehmend schwer, einer Bevölkerung zu dienen, die ein gestörtes Verhältnis zur Bundeswehr habe.

Auf Traditionspflege aus Respekt komme es ihm an, predigte Günzel.

Beispielsweise sangen seine Soldaten das Lied "Rot scheint die Sonne". Für die einen ein Nazi-Lied, für Günzel ein schönes Lied, das "fälschlich als Nazi-Lied diffamiert wird".

In dem Lied heißt es: "Startet los, flieget ab, heute geht es zum Feind...Wir fliegen zum Feind, zünden dort das Fanal...Wir wissen nur eines, wenn Deutschland in Not, zu kämpfen, zu siegen, zu sterben den Tod. An die Gewehre, an die Gewehre. Kamerad, da gibt es kein Zurück."

Christian Epp, ein ehemaliger Kompaniechef, der inzwischen aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, schilderte der SZ ein Erlebnis mit Günzel aus dessen Zeit bei der Panzergrenadierbrigade 37 in Frankenberg. Nach einer Gefechtsübung im November 1995 habe Günzel erklärt, er erwarte von seiner Truppe "Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS".

Günzel hat ein klares Weltbild: Da gibt es die Guten und die Bösen, die Rechten und die Linken. Demonstranten, die seine Truppe bei einer Übung störten, waren "Berufs-Chaoten".

Bauernopfer

Er musste sich nach eigenen Worten beherrschen, um seinen Jungs nicht den Befehl zu geben, das Problem "sehr schnell" zu lösen. Wegen angeblich rechtsradikaler Tendenzen in seinem Schneeberger Bataillon kam Günzel Mitte der neunziger Jahre ins Gerede, der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe versetzte ihn.

Später stellte sich heraus, dass der angebliche Skandal aufgebauscht worden war, Günzel war nur ein Bauernopfer.

Er blieb der Soldat, der den Asketen spielt, aber gern drauflos schwadroniert. Das wurde klar, als er vor zwei Jahren in einem Interview von der Jagd auf Osama bin Laden abriet, weil diese in einem "Blutbad" enden könnte.

Schon damals drohte ihm die Entlassung, doch weil seine militärische Qualifikation als Truppenführer unumstritten war, überstand er auch diese Turbulenz. Am nächsten Montag sollte der General im Wappensaal des Landtags von Rheinland-Pfalz einen Festvortrag zum Thema "Kommando Spezialkräfte im Einsatz" halten. Die Veranstaltung ist abgesagt worden.

© SZ vom 6.11.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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