Dynastien:Im Namen des Vaters

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Chiang Kai-shek regierte Taiwan von 1949 bis 1975. Danach übernahm sein Sohn Chiang Ching-kuo. (Foto: AP)

Warum es in Asien gar nicht einmal so selten ist, dass Kinder aus Politiker-Familien den Job von ihren Eltern direkt übernehmen.

Von Christoph Neidhart

Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Guerillaführer gegen die Kolonialmacht Japan. Dafür machten die Sowjets ihn 1945 zum "Vorsitzenden der Arbeiterpartei Koreas" und damit zu Moskaus Statthalter im Norden der geteilten koreanischen Halbinsel. Die Wahl fiel eher zufällig auf ihn, Kim war kein Kommunist, er hatte auch später keine Ahnung vom Marxismus. Vielmehr schuf er seinen eigenen Ideologiemix, die "Juche-Ideologie", eine Sammlung philosophisch klingender Leerformeln. Sie half ihm, sich vom Zwang zur kommunistischen Orthodoxie zu lösen - und seinen Sohn Kim Jong-il als Nachfolger aufzubauen. Das begann etwa 1980.

Gut zwei Jahrzehnte später war dann die Frage, welcher Enkel das Regime weiterführen könnte. Kim Jong-ils ältester Sohn war am Tokioter Flughafen mit einem falschen Pass erwischt worden, er hatte mit seiner Familie Disneyland besuchen wollen; damit kam er nicht mehr in Frage. Der zweite Sohn galt als ungeeignet. So wurde der jüngste, Kim Jong-un, nach Kim Jong-ils Schlaganfall 2008 übereilt zum Kronprinzen gemacht.

Ein kommunistisches Land, das von einer politischen Dynastie regiert wird? So paradox, wie das in westlichen Ohren klingen mag, ist das freilich nicht. Nordkorea hat sich zwar nach dem Muster der Sowjetunion in eine zentrale Planwirtschaft verwandelt, es gibt kein privates Gewerbe oder Grundbesitz. Aber das Regime hat sich nie von der kommunistischen Ideologie leiten lassen, es ist eher faschistisch und ethnonationalistisch.

Nichtkommunistische politische Dynastien sind in Asien weit verbreitet. Indiens einst mächtige Premierministerin Indira Gandhi war die Tochter von Jawaharlal Nehru, dem ersten Premier - und die Mutter von Rajiv Gandhi, dem sechsten Premier des Landes. Sri Lanka war über Jahrzehnte eine Familienangelegenheit der Bandaranaikes. Bangladeschs Regierungschefin Sheikh Hasina ist die Tochter des ersten Präsidenten. Und das sind noch längst nicht alle.

Nicht nur arme Staaten oder Autokratien werden von Familien beherrscht. Selbst im kommunistischen China sitzen inzwischen sogenannte Prinzlinge in der Parteispitze, Söhne von Genossen Maos. Allen voran Präsident Xi Jinping: Er ist Sohn eines ehemaligen Vizepremiers und Kampfgenossen Maos. Singapur wurde seit seiner Gründung 1959 gut drei Jahrzehnte lang von Lee Kwan Yew geführt, seit 14 Jahren regiert sein Sohn Lee Hsien Loong. Die geschasste südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye war die Tochter von Militärdiktator Park Chung-hee. Japan hatte seit der Jahrtausendwende acht Premiers, von ihnen stammten fünf aus Politdynastien, vier waren Söhne oder Enkel früherer Premiers. Auch Shinzo Abes Großvater und sein Großonkel waren beide Premiers.

Der "Generalissimo" ließ sich auf Taiwan ein Mausoleum errichten

Das wichtigste Motiv im familienorientierten Asien, sich nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Politik auf die eigenen Kinder zu stützen, ist der Wunsch nach Kontinuität. Nicht selten sind die Söhne sogar konservativer als die Eltern. Abes Vater war ein liberaler Außenminister. Kim Jong-un hat die Repression seines Vaters noch angezogen.

Doch es gibt eine bedeutende Ausnahme: Chiang Ching-kuo war der Sohn des chinesischen Nationalistenführers Chiang Kai-shek. Der hatte nach seiner Niederlage gegen die Kommunisten und der Flucht vom Festland auf Taiwan den "weißen Terror" installiert, eine brutale Militärdiktatur, die Oppositionelle hinrichten und 140 000 Regimekritiker ins Gefängnis werfen ließ. Auch der "Generalissimo", wie Chiang sich nennen ließ, organisierte einen Personenkult um sich. Wie Mao und Kims Vater und Großvater liegt Chiang für Pilgerbesuche einbalsamiert in einem Mausoleum.

Chiang hatte nach seiner Machtübernahme in Taipeh 1950 seinem Sohn Ching-kuo die Leitung der Geheimpolizei überlassen. Er war 15 Jahre lang der Häscher des Regimes, organisierte den weißen Terror. Als der alte Chiang dann 1975 starb, erbte Ching-kuo die Autokratie. Es gab kaum Grund, ausgerechnet vom Sohn eine Liberalisierung des Regimes zu erwarten. Doch Chiang lockerte die Zensur schrittweise, erstmals durfte über den "Weißen Terror" gesprochen werden. 1987, ein halbes Jahr vor seinem Tod, hob er das bis dahin 39 Jahre lang geltende Kriegsrecht auf. Heute ist Taiwan eine lebendige Demokratie.

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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