Drogenbericht 2015:Starker Tobak

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Die Zahl der Raucher ist rückläufig, doch die Daten der Bundesdrogenbeauftragten zeigen: Jeder vierte Deutsche greift regelmäßig zur Zigarette.

Von Von Friederike Zoe Grasshoff, Berlin

Angesagt oder verwegen ist Rauchen ja schon lange nicht mehr. Dieser Mentalitätswandel lässt sich zum Beispiel bestens auf deutschen Bahnsteigen beobachten, wo Nikotinsüchtige sich mehr beschämt als beglückt hinter gelben Linien versammeln, um in aller Hektik noch schnell ein paar Züge zu inhalieren. Oder in Fernsehserien, in denen der Böse zwar immer, der Gute aber nur im Zustand höchster Verwirrung oder kurz vor der Läuterung zur Zigarette greift. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Raucherecke; vor ein paar Jahrzehnten noch der geheime Treffpunkt abseits des Schulhofs, dürfte sie heute vor allem eines sein: ziemlich leer. Denn immer weniger Minderjährige rauchen. Dies ist eines der Ergebnisse des Sucht- und Drogenberichts 2015, den die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.

Dem Bericht zufolge lag die Zahl rauchender Jugendlicher im Alter von zwölf bis 17 Jahren im Jahr 2014 bei zehn Prozent - und damit auf dem tiefsten erhobenen Wert seit 1979. Im Jahr 2001 rauchten noch 28 Prozent der Jugendlichen, heute beträgt der Anteil bloß noch knapp ein Drittel des damaligen Werts.

Auch für die Erwachsenen wird die Zigarette zusehends unattraktiv: Rauchten Ende der Neunzigerjahre noch 28 Prozent der Bevölkerung regelmäßig, waren es im vergangenen Jahr 24,5 Prozent. Grund zur Entwarnung gibt es trotzdem nicht: Jeder vierte Deutsche raucht, laut Bericht führt Rauchen pro Jahr zu 110 000 Todesfällen. Aber auch das elektronische Pendant zur Zigarette bereitet laut Mortler Probleme; so sei die E-Zigarette bei 16- bis 19-Jährigen im vergangenen Jahr besonders beliebt gewesen, 2016 solle das angekündigte Verbot für Minderjährige kommen.

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(Foto: SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: Drogenbeauftragte der Bundesregierung

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(Foto: SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

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(Foto: SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

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(Foto: SZ-Grafik: Hanna Eiden; Quelle: Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

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Im Gegensatz zur Zigarette darf Alkohol auch abseits gelber Linien konsumiert werden und ist vom Kantinenautomaten bis hin zur Öko-Bierbank-Bar gesellschaftlich akzeptiert. Dass Alkohol der Deutschen liebster Stoff ist, schlägt sich auch in den Zahlen der Drogenbeauftragten nieder: Der Durchschnittsdeutsche trinkt jährlich 9,6 Liter reinen Alkohol, 9,5 Millionen Menschen konsumieren ihn in gesundheitlich riskantem Ausmaß, etwa 1,77 Millionen Erwachsene bis 64 Jahre gelten als alkoholabhängig. Und 74 000 Menschen sterben an den Folgen des Missbrauchs von Alkohol oder Alkohol und Tabak zusammen. Die Zahl der Rauschgifttoten - also der Menschen, die am Gebrauch illegaler Substanzen gestorben sind - stieg im Jahr 2014 auf 1032 an, 2013 waren es noch 1002.

Doch die Drogenbeauftragte war an diesem Donnerstag bemüht, auch "gute Ergebnisse" in der Bundespressekonferenz zu präsentieren: So sei die Zahl der "jugendlichen Rauschtrinker" zurückgegangen. Will sagen, dass das sogenannte Komasaufen zwar nicht aus der Welt, aber immerhin nicht mehr so verbreitet ist. Nach Zahlen aus dem Jahr 2013 sind etwa 23 270 junge Menschen zwischen zehn und 20 mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden, 2012 waren es 12,8 Prozent mehr. Ob nun legal oder illegal, der Rausch gehört zum Alltag: Ein Viertel der Erwachsenen hat schon einmal illegale Drogen genommen, besonders beliebt ist Cannabis - auch bei jungen Menschen. "Wir müssen alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, es sei ein harmloses Genussmittel", sagte Mortler - und sprach sich damit gegen Forderungen nach Freigabe von Cannabis jenseits medizinischer Zwecke aus. Dem Drogen- und Suchtbericht zufolge haben etwa 600 000 vorwiegend junge Menschen Probleme mit dieser Substanz, die mal einen Lachanfall, oft aber absolute Apathie verursacht. Weiterhin rasant verbreitete sich die Modedroge Crystal Meth, auch die Zahl erstauffälliger Konsumenten der Partysubstanz Ecstasy stieg wieder an. Der Gebrauch einstiger Modedrogen wie Heroin und Kokain ist dem Bericht zufolge hingegen rückläufig. Die einen dämmern weg, die anderen pushen sich zu künstlicher Energie und weniger Schlaf, das ist Drogen-Deutschland im Jahr 2015.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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