Drogenbericht:Rausch aus dem Labor

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Sie werden als Räuchermischungen oder Badesalze angeboten, doch durch ihren Konsum sterben immer mehr Menschen. Der Drogenbericht warnt vor synthetischen "Legal Highs", deren Inhaltsstoffe oft unbekannt sind.

Von Kim Björn Becker, München

Synthetische Drogen, Badesalze und Kräutermischungen sind in ihrer Zusammensetzung so leicht zu verändern, dass sich selbst Mitarbeiter der Drogenhilfe kaum auf dem Laufenden halten können. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Im vierten Jahr in Folge ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland gestiegen. Das Bundeskriminalamt zählte 2016 bundesweit 1333 Drogentote, knapp neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damals betrug die Zahl 1226. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hervor, der in Berlin vorgestellt wurde. Damit erreicht die Zahl der Drogentoten wieder das Niveau von 2009. Mit Blick auf die vergangenen 17 Jahre allerdings ist der Trend insgesamt rückläufig. Die meisten Drogentoten gab es dem Bericht zufolge in den bevölkerungsreichsten Bundesländern. In Bayern starben im vergangenen Jahr 321 Personen, in Nordrhein-Westfalen 204. Im Durchschnitt waren die Betroffenen zum Zeitpunkt des Todes 38 Jahre alt, in vier von fünf Fällen waren es Männer.

Abermals führte vor allem der Konsum von Opiaten - dazu zählen unter anderem die Substanzen Heroin und Morphin - dazu, dass eine Drogensucht tödlich endete. Studien zeigen, dass die Zahl der Süchtigen in den vergangenen Jahren stabil geblieben ist. Dafür stieg die Zahl der Kokain-Fälle - also Vergiftungen mit Kokain allein oder in Kombination damit - im Vergleich zum Vorjahr um fast 80 Prozent auf 71 Todesfälle an.

Die Deutschen konsumieren immer weniger Alkohol und Tabak

Noch fataler bewerten die Autoren den Konsum von sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen, kurz NPS. Darunter wird eine Vielzahl von Substanzen zusammengefasst, die auch als Legal Highs bezeichnet und im Alltag als Räuchermischungen oder Badesalze verniedlicht werden. Sie kommen als Pulver, Tabletten, Kräuter und Kapseln auf den Markt, oft ist die genaue Zusammensetzung unbekannt. Auf den Konsum von NPS konnten die Behörden im vergangenen Jahr 98 Todesfälle zurückführen. Dahinter steht ein außergewöhnlich starker Anstieg, denn 2015 sind lediglich 39 Personen an den Folgen des NPS-Konsums gestorben. Ende 2016 wurden etliche dieser neuen Stoffe gesetzlich verboten.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sagte bei der Vorstellung des Berichts, Suchtpolitik dürfe nicht bei den Abhängigen enden. "Wir müssen uns viel mehr als bisher um die Kinder suchtkranker Menschen kümmern." Ein Drittel der betroffenen Kinder entwickele später selbst eine Suchterkrankung, ein weiteres Drittel eine psychische Störung. Insgesamt stellten die Behörden im vergangenen Jahr abermals große Mengen Rauschgift sicher. Darunter waren fast acht Tonnen Cannabis. Beim illegalen Drogenhandel machte der Handel mit Cannabis fast zwei Drittel aller Fälle aus. Zudem konfiszierten die Behörden rund zwei Tonnen Kokain beziehungsweise Crack, knapp 1,5 Tonnen Amphetamine, 330 Kilo Heroin, 63 Kilo Crystal Meth, 61 Kilo Opium und etwa zwei Millionen Ecstasy-Tabletten. 15 illegale Labore zur Herstellung synthetischer Drogen wurden entdeckt.

Neben dem Anstieg der Drogentoten nennt der Suchtbericht auch positive Entwicklungen. Die Deutschen trinken im internationalen Vergleich zwar immer noch viel Alkohol - der geschätzte jährliche Pro-Kopf-Konsum beträgt hierzulande 12 Liter reinen Alkohols, der weltweite Durchschnitt liegt bei sechs Litern -, allerdings geht der Trend zurück. Nur noch etwa 37 Prozent der Männer betranken sich im Jahr 2015 gelegentlich, das waren deutlich weniger als die knapp 48 Prozent Mitte der Neunzigerjahre. Unter Frauen stieg der Wert leicht von 13 auf 16 Prozent an. Auch Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahren trinken weniger. Zuletzt griff nur jeder Zehnte zwischen zwölf und 17 Jahren mindestens einmal pro Woche zur Flasche, unter den 18-bis-25-Jährigen war es jeder Dritte. Das sind etliche Prozentpunkte weniger als 2001. Auch beim Tabak gingen die Zahlen zurück. Im Jahr 2015 rauchten nach eigenen Angaben nur knapp 26 Prozent der Befragten in den 30 Tagen vor der Befragung. 2003 waren es noch 34 Prozent. Auch die Zahl der gerauchten Zigaretten sinkt: Seit der Jahrtausendwende nimmt die Menge stetig ab, zuletzt betrug sie im Durchschnitt 9,7 Zigaretten pro Tag.

Nach den Worten von Marlene Mortler richteten legale Drogen wie Alkohol und Tabak aber noch immer den größten Schaden an. Dies zeigten die 120 000 Tabak-Toten und 74 000 Alkohol-Toten im Jahr, sagte Mortler. Tabak- und Alkoholkonsum seien tief in der Gesellschaft verwurzelt. Daher werde man dort "nicht mit Riesenschritten vorankommen".

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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