Dmitrij Medwedew:Loyal, aber zu nett

Lesezeit: 2 min

Dimitrij Medwedew wird eine in der Umgebung von Präsident Wladimir Putin eher seltene Eigenschaft nachgesagt: Nettigkeit. Eben deshalb gilt er vielen aber auch als ungeeignet für das Kreml-Amt.

Daniel Brössler

Es war eine kleine Geste, unbemerkt geblieben ist sie nicht. Als Russlands Präsident Boris Jelzin im April zu Grabe getragen wurde, wollte Michail Gorbatschow mit vielen der Trauergäste offensichtlich nichts zu tun haben.

Zu nett? Putins Wunschkandidat Dimitrij Medwedew gilt vielen als ungeeignet für das Kreml-Amt (Foto: Foto: dpa)

An führenden Köpfen aus Kreml und Regierung eilte er grußlos vorbei, nur einem jugendlich wirkenden Mann schüttelte er freundlich die Hand: Dmitrij Medwedew, dem ersten Vize-Ministerpräsidenten.

Gorbatschow ist gewohnt, von Moskaus Machtelite geschnitten zu werden. Die kleine Geste des letzten sowjetischen Präsidenten spricht dafür, dass er zumindest mit Medwedew andere Erfahrungen gemacht hat.

Medwedew wird eine in der Umgebung von Präsident Wladimir Putin eher seltene Eigenschaft nachgesagt: Er gilt als freundlich, gar als nett.

Diese Eigenschaft ist es, die viele daran hat zweifeln lässt, dass der 42 Jahre alte Medwedew wirklich Aussichten auf das Erbe Wladimir Putins hat. Für ihn spricht allerdings das ungewöhnlich enge Verhältnis, das ihn stets mit dem noch amtierenden Kremlchef verbunden hat.

Putin und Medwedew kennen sich seit Anfang der neunziger Jahre aus St. Petersburg. Wie zuvor Putin hatte Medwedew im damaligen Leningrad Jura studiert. Beide wurden sie dann ungefähr zur selben Zeit vom Reform-Bürgermeister Anatolij Sobtschak ins Rathaus geholt.

Putin übernahm damals die Abteilung für Auslandsbeziehungen. Medwedew wurde Berater Sobtschaks, arbeitete als Rechtsexperte aber auch Putin zu. In dieser Zeit wurde Putin zum väterlichen Freund für den 13 Jahre jüngeren Medwedew.

1999 holte der damalige Ministerpräsident Putin Medwedew nach Moskau. Bis heute sollte dort einer seiner wichtigsten Vertrauten bleiben. Als Chef der Präsidialverwaltung diente Medwedew Putin viele Jahre lang geräuschlos und für die Öffentlichkeit fast unsichtbar.

Umso größer fiel die Überraschung aus, als Putin Medwedew im Jahr 2005 in den Rang eines Ersten Vize-Ministerpräsidenten beförderte. Medwedew erhielt die Zuständigkeit für "nationale Projekte". Ihm fiel die angenehme Aufgabe zu, Russlands Öl-Milliarden zur Verbesserung der Infrastruktur und für soziale Zwecke zu verteilen. Medwedew reiste viel durchs Land, immer begleitet von den Kameras des Staatsfernsehens. Ein Präsidentschaftskandidat war geboren.

Als Medwedews Konkurrenten schickte Putin allerdings gleichzeitig Sergej Iwanow in den Ring, indem er den damaligen Verteidigungsminister ebenfalls zum Ersten Vize-Ministerpräsidenten beförderte. Iwanow gilt als Falke, Medwedew hingegen wird zum eher liberalen Flügel der Petersburger Juristen in Putins Umgebung gezählt.

In einem Interview bestritt Medwedew zwar einmal, dass es solche Flügel überhaupt gibt. Zu Sergej Iwanow habe er ein gutes Verhältnis, behauptete er gar. Der Wahrheitsgehalt wird sich vermutlich schon bald erweisen.

Anders als Iwanow ist Medwedew bislang jedenfalls kaum durch Säbelrasseln und durch Attacken auf den Westen aufgefallen. Und von der im Kreml so oft beschworenen "souveränen", also speziell russischen Demokratie hält er nach eigenem Bekunden nichts. "Ich mag den Begriff nicht", sagte er einmal. Demokratie und Souveränität seien wichtig. Nur ausspielen solle man beides nicht gegeneinander.

© SZ vom 11.12.2007/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: