Dissident in China:Chen soll zum Verlassen der US-Botschaft gezwungen worden sein

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Hat der chinesische Dissident Chen Guangcheng die US-Botschaft in Peking nicht freiwillig verlassen? Der Aktivist ist Medienberichten zufolge massiv von chinesischen Behörden unter Druck gesetzt worden - sie sollen unter anderem seine Familie bedroht haben. Nun will er das Land offenbar verlassen.

Der chinesische Dissident Chen Guangcheng ist nach eigenen Angaben massiv von chinesischen Behörden unter Druck gesetzt worden, die US-Botschaft in Peking zu verlassen. Der blinde Aktivist habe von Drohungen der chinesischen Seite berichtet, teilten seine Freunde Zeng Jinyan und der chinesische Bürgerrechtsanwalt Teng Biao nach Gesprächen mit dem 40-jährigen über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Die amerikanische Botschaft in Peking wollte sich nicht dazu äußern.

Die Nachrichtenagentur AP berichtete sogar, die Behörden hätten mit der Tötung seiner Frau gedroht, sollte er nicht das Botschaftsgelände verlassen, in dem er vor sechs Tagen Zuflucht gesucht hatte. Nun wolle er das Land aus Angst um seine Sicherheit verlassen. Auch die BBC berichtete unter Berufung auf Menschenrechtsaktivisten über Drohungen gegen den Dissidenten.

Nach US-Angaben hingegen hatte er Zusicherungen der Regierung in Peking bekommen, bevor er die US-Botschaft verließ. Wie ein amerikanischer Regierungsbeamter vor Ort berichtete, soll der blinde Aktivist mit seiner Familie an einen "sicheren Ort" in China umsiedeln und sogar eine Universität besuchen können.

Der Dissident wurde zur Behandlung in das Chaoyang-Krankenhaus in Peking gebracht, wie US-Botschafter Gary Locke der Washington Post in einem kurzen Telefongespräch vom Auto aus mitteilte. Der Anruf bei der Zeitung war die erste Bestätigung dafür, dass sich der Bürgerrechtler in den vergangenen Tagen tatsächlich in der Obhut der USA befunden hatte.

Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hatte berichtet, er habe die US-Botschaft "aus freien Stücken" verlassen, auch US-Behörden wollten die Drohungen nicht bestätigen. Der blinde Bürgerrechtler war am 22. April aus dem ihm auferlegten Hausarrest geflohen und hatte in der US-Botschaft Zuflucht gefunden. Sowohl Washington als auch Peking hatten lange zum Verbleib Chens geschwiegen.

Chen Guangcheng zählt zu den bekanntesten Menschenrechtsaktivisten Chinas. Im Alter von sieben Jahren verlor er durch hohes Fieber sein Augenlicht. Nachdem er sich Jura im Selbststudium beigebracht hatte, verteidigte er Frauen, die wegen der chinesischen Ein-Kind-Politik Zwangsabtreibungen über sich ergehen lassen mussten. Zudem beriet Chen Guangcheng die Einwohner seines Dorfes in Rechtsfragen.

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