Digitale Wirtschaft:Europa hinkt hinterher

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Das Silicon Valley gibt den Takt vor, von dort kommen die Fast-Monopolisten Google, Facebook, Amazon. Das müsste nicht so sein, wenn Europa endlich entschlossen dagegenhalten würde.

Von Varinia Bernau

Mit missionarischem Eifer haben die Tüftler aus dem Silicon Valley die Welt erobert. Sie haben sich nie damit zufriedengegeben, einfach nur ein neues technisches Spielzeug oder einen neuen Internetdienst vorzustellen. Nein, sie wollen immer gleich die ganze Menschheit beglücken.

Diese Gabe, ganz groß zu denken, ist eine Erklärung für den Erfolg amerikanischer Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook. Aber anzunehmen, dass ein Internetkaufhaus, eine Suchmaschine oder ein digitaler Plaudertreff, der in Amerika ersonnen wurde, auch das ist, was sich Menschen anderswo wünschen, zeugt zugleich von Arroganz. Und das weckt das Unbehagen bei all denen, die mit ihren Besonderheiten und Bedürfnissen nicht ernst genommen werden. Die Missionare stoßen auf Angst und Ablehnung.

Auch bei dem Wettbewerbsverfahren, das die Europäische Kommission nun gegen Google eingeleitet hat, geht es nicht nur ums Geschäft. Es geht ebenso darum, einem sehr mächtigen Konzern zu signalisieren, dass er nicht allmächtig ist.

Das Silicon Valley gibt den Takt vor - das müsste nicht so sein

So wichtig dies ist, es kann nur ein erster Schritt sein. Europa darf darüber nicht vergessen, dass es selbst einiges zu erledigen hat, wenn es im Wettlauf um die Entwicklung der Technik von morgen und das damit verbundene wirtschaftliche Wohl nicht noch weiter zurückfallen will. Solange der alte Kontinent nur reagiert, statt zu agieren, wird er immer nur dem Silicon Valley hinterherhecheln. Und er würde die Chance vertun, den Fragen nachzugehen, auf die auch dort noch keine Antworten gefunden wurden.

Statt zuzusehen, wie Google in immer neue Bereiche drängt, an selbstfahrenden Autos schraubt und an Robotern, die den Menschen mehr und mehr Arbeit abnehmen, sollten sich europäische Unternehmen ihrerseits an die Entwicklung neuer Lösungen machen. Die Manager dürfen nicht nur im "Weiter so" verharren. Sie müssen auch die Weichen dafür stellen, dass die Digitalisierung ihr Geschäft bereichert, statt es zu zerstören. Sie sollten junge Menschen mit guten Ideen ermutigen, sich einzubringen, sei es in den noch immer äußerst starren Hierarchien vieler etablierter Unternehmen, sei es auf dem riskanteren Weg der Selbständigkeit.

Europa braucht zudem endlich eine echte Digitalpolitik, zu der einheitliche Regeln im Datenschutz ebenso gehören wie die finanzielle Förderung für den Ausbau von Telekommunikationsnetzen, dieser so wichtigen Infrastruktur des 21. Jahrhunderts. So entschlossen die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager nun gegen Google aufgetreten ist, so blass blieb bislang der Digitalkommissar Günther Oettinger.

Europa aber darf sich auch in Fragen der Netzpolitik nicht in Kleinstaaterei verzetteln. Europa muss zusammenhalten und, ja, auch mal etwas größer denken. Nicht um andere zu missionieren, sondern um für jene Vielfalt in der digitalen Ökonomie zu sorgen, die die Amerikaner viel zu oft vermissen lassen.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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