Digitale Dauerfahndung:Polizei will per Videokamera alle Autofahrer erfassen

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Wer sich in sein Auto setzt, um zur Arbeit oder in den Urlaub zu fahren, muss in Zukunft womöglich damit rechnen, auf seinem Weg von dem wachsamen Objektiv einer Videokamera beobachtet zu werden.

Von Philip Grassmann

(SZ vom 29.12.2003) - Der Innenministerkonferenz liegt ein Polizeikonzept vor, wie man Deutschlands Autofahrer künftig mit einer digitalen Dauerfahndung kontrollieren könnte. Nach einem Bericht des Spiegel wird außer in Thüringen auch in Hessen und in Bayern bereits an der Umsetzung der Pläne gearbeitet. Niedersachsen und Baden-Württemberg haben zudem ihr Interesse signalisiert.

Das Prinzip ist simpel, aber wirkungsvoll: An zentralen Verkehrspunkten wie Autobahnen, Tunnels oder stark befahrenen Fernstraßen sollen bundesweit die Kennzeichen aller vorüberfahrenden Autos rund um die Uhr abgefilmt, digitalisiert und anschließend an den zentralen Fahndungskomputer des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden übermittelt werden. Sucht die Polizei nach einem der registrierten Kennzeichen oder ist das Nummernschild gefälscht, löst der Rechner Alarm aus.

Deutsche Datenschützer in Sorge

Die Polizeibeamten müssen den Wagen dann nur noch abfangen. In anderen europäischen Ländern sind vergleichbare Videofallen längst im Einsatz. In London etwa werden so alle großen Ein- und Ausfallstraßen überwacht, auch in Italien oder in der Schweiz wird mit derartigen Systemen gearbeitet.

Deutschen Datenschützern bereitet die neue Überwachungslust einiger Innenministerien allerdings Sorge. Zwar haben sie keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Erfassung der Kennzeichen, wenn sie nicht gespeichert sondern sofort wieder gelöscht werden, sofern sie keine Fahndungshinweise enthalten. Der neue Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, sieht das Vorhaben dennoch skeptisch.

Denn mit einem vernetzten Kamerasystem, so argumentiert Schaar, werde eine Infrastruktur geschaffen, die weit tiefer gehende Eingriffe erlaube. Sollte beispielsweise irgendwann einmal die Speicherung der Kennzeichen zugelassen werden, ließe sich leicht ein Bewegungsprofil von jedem Autofahrer erstellen.

Hessen änderte Polizeigesetz

Doch wann die Kamerafahndung überhaupt zum Einsatz kommen kann, ist noch unklar. Denn die Rechtslage ist alles andere als eindeutig. Zwar vertreten Sicherheitsexperten die Ansicht, die Strafprozessordnung erlaube schon jetzt den Einsatz dieser Technik für die Fahndung nach Verbrechern oder potenziellen Terroristen.

Doch Datenschützer Schaar weist darauf hin, dass diese Erlaubnis kaum für eine breit angelegte Verkehrsüberwachung gelten könne, bei der nur die Hoffnung bestehe, Straftäter zu entdecken.

In Hessen wiederum hält man eine bereits vom Kabinett beschlossene Änderung des Polizeigesetzes für ausreichend. Sollten Bundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt den Zugriff auf die Daten erhalten, müsste dies ebenfalls per Gesetzesänderung geschehen.

Dass die Einführung der Videofallen mit Tücken verbunden sein kann, musste erst kürzlich Thüringens Innenminister Andreas Trautvetter erfahren. Der CDU-Politiker geriet Anfang Dezember unter Druck, als er die Existenz einer Probeanlage schlicht verneinte. Später musste er kleinlaut einräumen, dass die Geräte an der Autobahn 71 ohne gesetzliche Grundlage aufgebaut und getestet worden waren.

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