Die Verstrickungen des Silvio Berlusconi:Der Premier und die Mafia

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Zwei Gerichtsurteile belasten den italienischen Ministerpräsidenten: Ein Korruptionsvorwurf wurde "nur" für verjährt erklärt. Nun muss auch noch Berlusconis Vertrauter Marcello Dell'Utri wegen seiner Nähe zur Cosa Nostra für neun Jahre ins Gefängnis.

Von Christiane Kohl

Rom - Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi gerät durch die gerichtliche Aufarbeitung seiner Vergangenheit politisch mehr und mehr unter Druck.

Wurde zwar freigesprochen, kann aber trotzdem nicht zufrieden sein: Silvio Berlusconi. (Foto: Foto: Reuters)

Erst am Freitag hatte eine Strafkammer in Mailand den Medienunternehmer nur deshalb straffrei gelassen, weil die Richter ein ihm zugeordnetes Korruptionsdelikt für verjährt erklärten.

Einen Tag später verurteilte ein Gericht in Palermo einen seiner engsten Mitarbeiter, den Juristen Marcello Dell'Utri, zu neun Jahren Gefängnis.

Bindeglied zur Mafia

Der 62 Jahre alte gebürtige Sizilianer, der seit 30 Jahren für Berlusconi arbeitet und seine Partei Forza Italia aufgebaut hat, wurde für schuldig befunden, enge Kontakte zur sizilianischen Cosa Nostra unterhalten und so als ein Bindeglied zwischen Berlusconi und der Mafia gewirkt zu haben.

Vertreter des regierenden Mitte-Rechts-Lagers, die noch am Freitag das Urteil über Berlusconi als gerecht gelobt hatten, geißelten den Richterspruch aus Palermo als Ausdruck einer politisierten Justiz: "Die Rechtskultur in ganz Europa", werde dadurch entehrt, behauptete der Forza-Italia-Abgeordnete Antonio Tajani.

Ein Sprecher der rechtskonservativen Nationalen Allianz verglich den Richterspruch gar mit den blutigen "Repressalien der Nazis" in den letzten Kriegsjahren.

Hingegen betonte die für Justiz zuständige Abgeordnete der Linksdemokraten Anna Finocchiari, die italienische Demokratie könne "nicht einen Schatten der Verbindung zwischen Politik und Mafia ertragen".

Das Urteil, sekundierte der Sprecher der liberalen Margeriten-Partei Pierluigi Castagnetti, schaffe "politische Probleme für Berlusconi." Der Ministerpräsident selbst äußerte sich nicht zu der Verurteilung Dell'Utris, der lange Europa-Abgeordneter war, im römischen Senat sitzt und zahlreiche Aufsichtsratsposten bei Berlusconi-Firmen innehat.

Der Prozess in Palermo dauerte sieben Jahre, mehr als 200 Zeugen wurden gehört. Zuletzt schlossen sich die Richter für die Beratungen zwölf Tage lang im Justizpalast ein.

Im Lauf der 256 Verhandlungstage war mehr als einmal von Berlusconi die Rede gewesen, denn sein geschäftlicher wie auch politischer Aufstieg ist eng mit dem Namen Dell'Utri verbunden.

Seit dem Studium kennen sich die beiden. 1974 holte Berlusconi, seinerzeit ein aufstrebender Bauunternehmer, den Sizilianer als persönlichen Sekretär in seine Firma. Wenig später stellte er in seiner Villa in Arcore einen Bekannten Dell'Utris als Stallmeister ein: den Mafia-Boss Vittorio Mangano.

Eine seltsame Arbeitsbeschaffung, denn ein Stallmeister wurde in der Berlusconi-Villa eigentlich nicht gebraucht. Die Staatsanwälte in Palermo glauben, dass der Unternehmer den Mafioso gleichsam als Schutzpatron ins Haus holte, nachdem es zuvor in Mailand zu mehreren Entführungen durch die Mafia gekommen war.

Wie lange der Cosa-Nostra-Mann, der mittlerweile gestorben ist, bei Berlusconi blieb, ist unklar - Berlusconi, der als Zeuge im Prozess gehört werden sollte, verweigerte die Aussage. Im Dunkeln blieb auch bis heute die Herkunft erheblicher Bargeldsummen, die bald nach Manganos Bestallung auf verschiedenen Konten in Berlusconis Firmenreich eingingen.

Der Unternehmer gründete gerade seine Firmen-Holding Fininvest, als Eigenkapital wurde Bargeld eingezahlt - bis zu zehn Milliarden Lire an einem Tag.

Umgerechnet etwa 60 Millionen Euro sollen Fininvest auf diese Weise zugeflossen sein, woher sie kamen, fand nicht einmal die italienische Staatsbank heraus.

Wegen der Zahlungen hatten die Staatsanwälte in Palermo ursprünglich auch gegen Berlusconi ein Ermittlungsverfahren eröffnet, wegen Geldwäsche. Das Verfahren wurde zu den Akten gelegt, doch die Ermittler führten den Unternehmer insgesamt noch dreimal im Zusammenhang mit dem Dell'Utri-Prozess als Beschuldigten - alle Verfahren wurden eingestellt.

"Dies ist kein Prozess gegen Berlusconi und auch nicht gegen Forza Italia", hatte Staatsanwalt Antonio Ingroia in seinem Plädoyer erklärt und zugleich elf Jahre Haft für Dell'Utri gefordert.

Zahlreiche Mafia-Aussteiger, so genannte "pentiti" (Reuige), hatten gegen den Berlusconi-Vertrauten ausgesagt. Da war von Treffen mit dem einstigen Boss der Bosse in Palermo Stefano Bontade die Rede, der später von Killern der Cosa Nostra aus Corleone um den offenbar noch brutaleren Boss Toto Riina getötet wurde.

Mehrere "pentiti" berichteten auch, dass sich Berlusconi gar mit Bontade getroffen habe.

© SZ vom 13.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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