Die Schwächen des Gordon Brown:Entzauberter Zauberer

Lesezeit: 2 min

Vor zehn Monaten sehnten sich die Briten nach Gordon Brown, weil sie genug von Tony Blair hatten. Doch der ehemalige Finanzminister Brown machte seitdem viele Fehler - und muss nun mit Spott, Häme und einer deftigen Wahlniederlage leben.

Wolfgang Koydl

Hinterher sind immer alle klüger. Hinterher wollen es alle schon immer gewusst haben. Er kann es ganz einfach nicht, soll Ex-Premierminister Tony Blair seinem Vertrauten Lord Levy anvertraut haben, als er über die Chancen von Gordon Brown sprach, die nächste Parlamentswahl gegen den jüngeren, dynamischeren und charismatischeren Tory-Führer David Cameron zu gewinnen. Und der greise Lord Desai drückte es noch prägnanter und vernichtender aus: "Brown", so meinte der Labour-Mann, "ist auf die Welt geschickt worden, um daran zu erinnern, wie gut Tony Blair war."

Gordon Brown mit seiner Ehefrau Sarah nach der Stimmmabgabe (Foto: Foto: AP)

Gerade einmal zehn Monate ist es her, dass Brown das Amt des Regierungschefs von Blair übernahm. Damals hatten viele Briten den Wechsel an der Spitze ausdrücklich begrüßt, ja geradezu herbeigesehnt. Sie hatten genug von dem schillernden Show-Mann Blair, der sie in den ungeliebten Irak-Krieg geführt hatte und der wegen undurchsichtiger Spendenvorwürfe als erster britischer Premierminister der Geschichte in seinem Amtssitz von der Polizei vernommen worden war.

Grundsätzlich dilettantisch

Stattdessen freute man sich auf einen Regierungschef, dem der Ruf vorauseilte, solide, ehrlich, kompetent und bescheiden zu sein. "Nicht flash, nur Gordon", lautete denn auch der Spruch von Labours Werbeagentur über den biederen und alles andere als flamboyanten Premier.

Doch von dem guten Ruf ist mittlerweile nichts mehr übriggeblieben. Eine nicht abreißende Serie von Pannen und politischen Missgriffen hat Brown und sein "Kabinett aller Talente" als grundsätzlich dilettantisch entlarvt. Und auch Brown, so wurde inzwischen klar, schönt die Wahrheit, indem er ihr den gewünschten Dreh verleiht.

Doch im Unterschied zu Blair, der ein Virtuose des Spin war, fühlt man bei seinem Nachfolger stets die schwere Hand eines Anfängers in dieser Kunst. Vor allem aber mangelt es dem Premierminister an Führungsqualitäten: Minister, Abgeordnete und Beamte beklagen sich hinter vorgehaltener Hand über seine Entscheidungsschwäche und Entschlusslosigkeit.

Schon früher hatte Brown zudem die Reputation, ein Schulhof-Bully zu sein, der andere piesackt und herumkujoniert. Nun aber, und vor allem nach dem katastrophalen Wahlergebnis der Labour Party bei den Kommunalwahlen in England und Wales, ist an der Basis und in der Fraktion die Angst vor dem Bully Brown der Furcht gewichen, bei der nächsten Unterhauswahl unterzugehen. Beobachter sagen denn auch Revolten der eigenen Hinterbänkler gegen die Regierung voraus.

Tollpatschiger Komiker

Zum politischen Flurschaden gesellen sich Spott und Häme. "Brown Trousers" betitelte das Massenblatt Sun seine Geschichte über das Kommunalwahldebakel - und drückte damit aus, welches Malheur Labour-Abgeordneten aus Angst vor der nächsten Parlamentswahl zuzustoßen droht. Und schon vor Wochen schien der liberaldemokratische Oppositionspolitiker Vince Cable vielen aus der Seele zu sprechen, als er bei dem einstigen "eisernen Schatzkanzler" eine Wandlung vom Despoten Stalin hin zum tollpatschigen Komiker Mister Bean konstatierte.

Besonders schlimm für Brown ist, dass er seine Wirtschaftskompetenz verspielt hat, die Labour die drei letzten Wahlsiege beschert hatte. Zehn Jahre lang war er als Schatzkanzler für die Finanzen des Landes verantwortlich, und diese Zeit war bestimmt vom längsten Aufschwung der britischen Geschichte.

So zuversichtlich war Brown, dass er sich sogar rühmte, den Zyklus von "boom and bust", von Aufschwung und Rezession, durchbrochen zu haben. Doch die globale Wirtschaftskrise hat die Wähler auch auf seine eigenen Fehler und Versäumnisse aufmerksam gemacht. Sie sehen Brown und fühlen sich an den Zauberer von Oz erinnert: Hinter dem Vorhang verbirgt sich kein Gigant, sondern ein kleines, graues Männchen.

© SZ vom 3./4. Mai 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: