Die Queen zu Besuch:Unsere gute Königin

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So etwas gibt es nicht in Deutschland. Ein paar Gramm davon leben im Pastorenpräsidenten Gauck oder im Uraltkanzler Schmidt: Elizabeth II. fasziniert die Deutschen, als Sympathieträgerin und Wehmutsfigur aus einer längst vergangenen Zeit.

Von Matthias Drobinski

Die britische Königin Elizabeth II. ist durch Deutschland gereist, eine altersschöne Frau von fast 90 Jahren mit Vorliebe für ungewöhnliche Hüte. Und überraschend viele Deutsche waren davon berührt, ergriffen, begeistert. Sie haben sich vor der britischen Botschaft in Berlin versammelt oder vor dem Römer in Frankfurt, Fähnchen geschwenkt, ungewöhnliche Hüte getragen und Handyfotos geteilt: Ich hab sie gesehen! Sie hat gewinkt! Gut, Großbritannien ist wichtig in Europa, das Verhältnis zwischen Insel und Kontinent schwierig, da sind freundliche Gesten willkommen. Aber warum bekamen selbst viele der zur Gartenparty mit der Queen geladenen Wichtigkeiten Schwitzehände, als sie Ihrer Majestät vorgestellt werden sollten, bitte mit Knicks, korrekter Anrede - und bitte nicht anfassen?

Die Queen ist ein Phänomen. Ihr Blut ist nicht blauer als das anderer Menschen. Sie hat in ihrem Leben keine erschütternden Reden gehalten und keine wegweisende Politik gemacht; als Erziehungsberaterin möchte man sie auch nicht konsultieren. Eigentlich ist das wirklich Besondere an Queen Elizabeth II., dass sie immer da war. Vor 62 Jahren wurde sie gekrönt, erstmals wurde damals eine Krönungsfeier im Fernsehen übertragen. Nun ist das Fernsehen allgegenwärtig und das Internet erst recht. Das Empire ist verschwunden, man weiß nicht mehr, ob die Briten beieinander bleiben wollen und bei den Europäern. Die ganze Welt ist global verbunden und doch tief zerrissen.

Und sie ist noch da. Sie hat das alles miterlebt, durchgestanden, auch die Tragödien und Skandale in der eigenen Familie. Nur 1997, als Diana starb und Schloss Windsor brannte, sprach sie von einem "schrecklichen Jahr", ansonsten bewahrte sie Haltung und steife Oberlippe im Zeitalter des Selbstmitleids und der Befindlichkeitspoesie. Nicht nur für die Briten ist sie so zum Kontinuum der Weltgeschichte geworden, zu jemandem, der ans Vergangene erinnert, an die vermeintlich besseren Zeiten. Sie ist eine Wehmutsfigur, weißhaarig und zerbrechlich, wie der Fernsehserie Downton Abbey entstiegen, die beginnt, als britische Landadelige in Wohlstand und Unkenntnis von Weltkriegen, Judenmord und globalem Terror lebten.

Andere Menschen, die lange im Amt sind, tragen ihr Gesagtes, Geschriebenes und Getanes mit sich herum, nicht so die Queen. Das erhöht den Preis jedes Wortes, das sie spricht: Was hat sie gemeint, als sie vor der "Spaltung in Europa" warnte? Sofort lesen die Journalisten zwischen Zeilen und Buchstaben, doch Elizabeth erklärt nichts. Sie muss nicht eindeutig werden, ihr Publikum nicht spalten. So steht sie über dem politischen Streit, die alltäglichen Konflikte erscheinen klein und kleinlich. Die Frau, die da lächelt und winkt, ist eine zivilreligiöse Instanz; es ist nur logisch, dass sie auch das Oberhaupt der Church of England ist.

So etwas gibt es nicht in Deutschland. Ein paar Gramm davon leben im Pastorenpräsidenten Gauck oder im Uraltkanzler Schmidt; vor allem aber hat die Bundesrepublik sich von allem Königsähnlichen verabschiedet und alles Zivilreligiöse auf niedriger Flamme gehalten, mit gutem Grund und gutem Erfolg. Nur wenn die Königin kommt, dann finden viele Leute, dass es manchmal doch schön wäre, wenn da jemand die Zeiten und Welten verbinden würde, verehrungswürdig, lächelnd und ungewöhnliche Hüte tragend.

Dann stehen sie da und schwenken Fähnchen und ahnen, dass es dies nicht mehr geben wird, wenn diese Königin nicht mehr lebt. Kommen Sie gut heim, Majestät. Und passen Sie gut auf sich auf.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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