Die Anti-Terror-Pläne des Innenministers:Der Misstrauer

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Die Vorschläge des Innenministers widersprechen dem Wortlaut und dem Geist des Grundgesetzes. Das ficht Schäuble aber nicht an. Er sieht sich als Welthausmeister, die Mission heißt aufräumen.

Heribert Prantl

Natürlich wäre Wolfgang Schäuble gern Kanzler geworden, aber so ist es halt nicht gekommen Fast alles andere, was eine große Partei- und Staatskarrriere an Posten und Ämtern bereithält, war er schon. Schäuble hätte gern die Grenzen gesprengt, in globalen Kategorien gedacht, den großen Wurf geplant und das große Rad gedreht; der Außenpolitik gilt seine letzte Leidenschaft.

"Ordnung muss sein": Innenminister Wolfgang Schäuble sieht sich als Welthausmeister. (Foto: Foto: ddp)

Aber Angela Merkel hat es ihm nicht gegönnt, dieser Lust in gebändigter Form als Bundespräsident zu frönen; und die Arithmetik der Großen Koalition brachte es mit sich, dass der Posten des Außenministers für einem Mann der Union nicht zur Verfügung stand - auch nicht für den erfahrensten, abgebrühtesten.

Die Schwächen der anderen

Also ist Wolfgang Schäuble noch einmal, wie schon in der Regierung Kohl, Innenminister geworden. Aber der islamistische Terror gibt ihm die Möglichkeit, die Beschränkungen zu sprengen, die dem klassischen Innenminister auferlegt sind. Wenn Außenpolitik und Innenpolitik ineinanderfließen, wie das allenthalben propagiert wird, kommt das Schäuble entgegen; den Einsatz der Bundeswehr im Inneren fordert er ja schon seit gut 15 Jahren.

Und die terroristische Bedrohung, die Schäuble in immer kürzeren Abständen immer gewaltiger und gefährlicher schildert, gibt ihm die Möglichkeit zum ganz großen Wurf: zum Umbau des freiheitlichen Rechts- und Sicherheitssystems in ein Präventionsregime.

Welche Rolle spielt bei alledem der Anschlag auf Schäuble? Seit dem Attentat vom 12. Oktober 1990 ist er an den Rollstuhl gefesselt.

Wer jeden Tag die eigene körperliche Schwäche erlebt und sie zu überwinden versucht, der erträgt wohl die echten oder vermeintlichen Schwächen der Kollegen, aber auch die echten oder vermeintlichen Schwächen des Staates noch weniger als früher.

"Ordnung muss sein"

In seiner ersten Amtszeit als Innenminister war die "Organisierte Kriminalität" die Gefahr, deretwegen viele Gesetze geändert wurden. Heute ist für Schäuble der fundamentalistische Terrorismus die potenzierteste Form der Organisierten Kriminalität; ein Anschlag ist für ihn nicht ein persönlicher Akt religiöser Fanatiker , sondern ein Ausdruck einer internationalen Verschwörung zur Zerstörung der globalen Ordnung.

"Ordnung muss sein" heißt das Motto des Hausmeisters Krause aus der gleichnamigen Fernsehserie, ein Motto, das den Mann beim Aufräumen zu rabiaten Methoden greifen lässt; seine Hausmeisterei in Köln-Kalk ist für Krause nicht nur eine Halbtagsstelle, sondern eine Lebenseinstellung. "Ordnung muss sein" heißt auch das Prinzip, dem sich der Sicherheitspolitiker Schäuble zunehmend verschrieben hat, in ganz anderen Dimensionen freilich: Er sieht sich als deutscher Resident einer Welthausmeisterei; globale und nationale Ordnung ist für ihn das erste Gebot seiner Politik.

Zu der Ordnung, die Schäuble meint, gehört, dass es keine ungeklärten Rechtsfragen geben darf - ja mehr noch, dass Recht und Verfassung sich in den Dienst der Ordnung zu stellen haben. Schäuble ist nicht einfach ein ,,Law-and-Order-Politiker'', für ihn ist das Recht Diener der Ordnung: Alles ist Schäuble recht, was der Klarheit und der Ordnung dient - zumal dann, wenn, wie er glaubt, diese Ordnung gefährdet ist wie nie zuvor.

Deshalb ist es für Schäuble Recht, wenn ein Gesetz den Abschuss von entführten Flugzeugen mitsamt Passagieren regelt. Deshalb ist es für ihn Recht, wenn ein Gesetz die heimliche Durchsuchung privater Computer erlaubt. Deshalb ist es für ihn Recht, wenn angebliche Gefährder jahrelange interniert werden. Deshalb ist es für ihn Recht, wenn ein Gesetz eine Lizenz zur Ermordung mutmaßlichen Terroristen erteilt.

Recht als Diener der Ordnung

Wichtig ist dabei für Schäuble stets: Es muss eine ordentliche gesetzliche Grundlage dafür da sein, notfalls muss eben das Grundgesetz geändert werden. Nur wenn das Recht seine Unordentlich-keit verliert, kann es, so denkt Schäuble, Ordnung schaffen; und die Unordentlichkeit verliert es dann, wenn es die Maßnahmen erlaubt, die er für notwendig hält.

Im Wort "Ordnung" steckt das lateinische "Ordo" - und das bedeutete im Denken des Mittelalters die Ausrichtung alles Irdischen auf einen göttlichen Endzweck. Was damals der "göttliche Endzweck" war, ist heute für Schäuble die Sicherheit.

Das Recht ist bei Schäuble weniger der Garant der Freiheit als der Diener der Ordnung. Dies alles kollidiert mit Wortlaut und Geist des Grundgesetzes. Aber das ficht den Innenminister nicht an. Er rechnet damit, dass er, im Fall des Falles, bei einem Terroranschlag in Deutschland also, vom Buhmann zur Lichtgestalt wird.

© SZ vom 10.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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