Deutschland und Frankreich:"Verdun lässt uns nicht los"

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100 Jahre nach der Schlacht erinnern Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande an "unfassbare Grausamkeit" - und beschwören die Aussöhnung.

Von Christian Wernicke, Verdun

Der Name Verdun stehe "für unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wie auch für die Lehren daraus", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag im Rathaus der Stadt im Nordosten Frankreichs. 100 Jahre nach der Schlacht von Verdun würdigten Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande die Freundschaft ihrer einst verfeindeten Länder und die Einigung Europas. Gemeinsam gedachten die beiden Politiker der mehr als 300 000 Todesopfer der "Hölle von Verdun". Bei der Hauptzeremonie am Beinhaus von Douaumont, einer Grabstätte für 130 000 nicht identifizierte gefallene Soldaten beider Länder, rannten 4000 Jugendliche über das Schlachtfeld und inszenierten ein Schauspiel von Tod, Trauer und Versöhnung. "Verdun lässt uns nicht los, Verdun kann und darf uns nicht loslassen", sagte Merkel in ihrer Rede. Hollande warnte vor neuem Nationalismus und Populismus: "Lieben wir unser Vaterland, aber schützen wir unser gemeinsames Haus - Europa!"

Über zehn Monate im Jahr 1916 hatten sich deutsche und französische Soldaten bei Verdun mörderische Kämpfe geliefert, die letztlich aber den Frontverlauf im Ersten Weltkrieg nicht veränderten. Die Schlacht begann im Februar mit einer deutschen Offensive. Mit schlichten, aber persönlichen Worten bekannte sich Merkel zur deutsch-französischen Freundschaft: "Dass es heute so ist, wie es ist, bedeutet mir sehr viel." Zuvor hatten Merkel und Hollande bei strömendem Regen auf dem deutschen Soldatenfriedhof Consenvoye innegehalten. Bei einem Mittagessen berieten die beiden zudem über die Weiterentwicklung Europas. Demonstrativ hatten sie die Präsidenten von EU-Kommission und europäischem Parlament, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz, eingeladen. Hollande hatte wiederholt den Wunsch geäußert, die Euro-Zone zu vertiefen und etwa mit eigenem Budget auszustatten.

Der gemeinsame Besuch Merkels und Hollandes erinnert auch an das historische Händehalten ihrer Vorgänger Helmut Kohl und François Mitterrand. Über den Gräbern von Verdun hatten die beiden Politiker damit 1984 ein Zeichen deutsch-französischer Versöhnung gesetzt. "Dieses Bild hat sich tief in das Gedächtnis unserer Nationen eingebrannt", so Merkel. Vor 50 Jahren durften die Deutschen beim Gedenken nicht dabei sein. 1966 wollte der damalige Präsident Charles de Gaulle keinen Vertreter des früheren Feindes an seiner Seite haben. Inzwischen ist Frankreich um eine gemeinsame Sicht auf den Horror von Verdun bemüht. So stellt zum Beispiel seit Sonntag eine neue Inschrift am Eingang des Beinhauses erstmals klar, dass hier die Gebeine von französischen wie auch deutschen Soldaten liegen.

Einen Teil der Gedenkfeier mit den 4000 Jugendlichen, die zuvor in einem mehrtägigen Camp des Deutsch-Französischen Jugendwerks in Friedensworkshops gearbeitet hatten, hat der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff vorbereitet. "Das Wichtigste ist eigentlich, dass man die Zeremonie Politikern und Militärs wegnimmt und den Jugendlichen gibt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es geht um die 15 Minuten, wo wirklich die Jugendlichen diesen Friedhofsplatz überströmen."

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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