Deutschland und der EU-Haushalt:"Das ist ein Pyrrhus-Sieg für die Kanzlerin"

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In ganz Europa wurde Kanzlerin Merkel nach dem jüngsten EU-Gipfel für ihre Vermittlerrolle mit großem Lob bedacht. Regierungssprecher Steg versucht den Kompromiss nach dem Motto "weniger als befürchtet" als großen Wurf zu verkaufen. Dagegen fährt die FDP große rhetorische Geschütze auf.

Nach dem unter maßgeblicher Mitwirkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel erzielten Kompromiss bei den EU-Finanzen muss Deutschland mehr zahlen als bisher.

In der Kritik: Angela Merkel (Foto: Foto: AP)

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag: "Wir werden weniger abführen müssen, als wir gedacht haben, aber wir werden mehr abführen müssen als in der Vergangenheit". Genaue Zahlen nannte er nicht.

Steg bestätigte damit "in der Tendenz" einen Bericht der Berliner Zeitung, wonach laut Expertenschätzung der deutsche Nettobeitrag für die Europäische Union um knapp zwei Milliarden auf jährlich 10,4 Milliarden Euro steigt. Steg machte aber deutlich, dass der höhere Nettobetrag im wesentlichen dadurch entstehe, dass die Rückflüsse aus Brüssel an Deutschland geringer würden, weil die neuen Mitgliedsländer stärkere Hilfen brauchten.

Das gelte für alle großen westeuropäischen Industrieländer. "Aber das ist der Preis, den wir gerne bereit sind zu bezahlen für das große Werk der historischen Einigung Europas", erklärte Steg.

FDP: Kompromiss finanzpolitsch nicht zu verantworten

Bundeskanzlerin Angela Merkel machte nach den Worten von Steg bereits beim Gipfel in Brüssel deutlich, dass es für Deutschland gegenüber dem luxemburgischen Vorschlag eine Besserstellung um eine knappe Milliarde Euro gebe. Auch gegenüber dem britischen Kompromissvorschlag sei eine Besserstellung erreicht worden. Daher sei der ausgehandelte Kompromiss "gemessen an unseren Erwartungen ein vorzügliches Ergebnis, weil es unterhalb dessen bleibt, womit wir lange Zeit rechnen mussten".

Die Opposition kritsierte den neuen EU-Haushalt. "Dieser viel gerühmte Kompromiss ist finanzpolitisch nicht zu verantworten", sagte der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms der Berliner Zeitung. "Wie soll ein deutscher Haushalt konsolidiert werden, wenn laufend zusätzliche Ausgaben oben drauf gesattelt werden?" Die Vereinbarung widerspricht dem Bericht zufolge auch dem Koalitionsvertrag von Union und SPD, der eine "relative Entlastung" bei den EU-Beiträgen vorsieht und auf Konsolidierungszwänge verweist.

"Belastung für den Haushalt"

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Christine Scheel, kritisierte ebenfalls den Abschluss. "Merkel wurde rauf und runter gefeiert für das wunderbare Ergebnis, aber wenn dieses Ergebnis dazu führt, dass der deutsche Beitrag erheblich steigt, dann ist ein Haar in der Suppe", sagte sie. Für den deutschen Haushalt sei der Abschluss eine Belastung.

Auch im Europäischen Parlament stößt der Beschluss der EU-Regierungschefs auf anhaltende Kritik. Die Vorsitzende der FDP-Gruppe, Silvana Koch- Mehrin, kritisierte, während der deutsche Beitrag steige, blieben die Probleme wie hohe Agrarsubventionen und geringe Forschungsausgaben ungelöst. "Das ist ein Pyrrhus-Sieg für die Kanzlerin", sagte Koch-Mehrin der Berliner Zeitung.

"Aus nationaler Sicht nicht sehr gut"

Die Finanzexpertin der europäischen Grünen, Helga Trüpel, bemängelte, dass Merkel "aus nationaler Sicht nicht sehr gut" verhandelt habe. Für Europa allerdings seien die deutschen Zugeständnisse richtig gewesen.

Der Nettobeitrag ist die Differenz zwischen den Überweisungen nach Brüssel und den Rückflüssen in Form von Agrarbeihilfen oder Strukturförderung, etwa für Ostdeutschland. Zwar steigen diese Rückflüsse den deutschen Schätzungen zufolge in der Finanzperiode bis 2013 leicht an, weil die EU-Ausgaben insgesamt wachsen.

Die Überweisungen von Berlin nach Brüssel aber erhöhen sich wesentlich stärker - von zuletzt 20 Milliarden auf mehr 23 Milliarden Euro jährlich, wie es in dem Bericht hieß. Andere EU-Staaten wie Italien oder Spanien hatten beim Gipfel vorige Woche zum Ausgleich höhere Rückflüsse ausgehandelt.

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