Deutsche Söldner:Herr Müller im Kongo

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Es ist noch nicht sehr lange her, dass fremde Soldaten Furcht und Schrecken im Herzen Afrikas verbreiteten.

Arne Perras

Der Mann im Kampfanzug hat sich für das Foto neben dem Jeep postiert, er streicht seinem Gegenüber sanft über den kahlen Kopf. Das Gesicht des Soldaten ist im Schatten des Stahlhelms kaum zu erkennen, aber den Kopf, den er tätschelt, kann man auf dem Bild gut sehen.

Patrice Lumumba: Vermutlich zerstückelt und in Säure aufgelöst. (Foto: Foto: dpa)

Es ist der Schädel eines getöteten Menschen, wie eine Galionsfigur auf die Motorhaube montiert. Darunter hängen zwei gekreuzte Knochen am Kühlergrill.

Trophäenschau im Kongo, Mitte der sechziger Jahre. Der Tod fuhr immer mit, wenn sich die weißen Männer mit ihren Geländewagen durch den Busch pirschten. Kämpfen, töten, siegen.

Das war ihr Geschäft. Das Foto ist im Spiegel vom 5. Juni 1967 zu finden, mit der Unterschrift: "Müller-Jeep. Kopf im Kongo."

Die Zukunft mitbestimmt

Unter Söldnern ist Siegfried Müller, den sie den Kongo-Müller nannten, eine Legende. Für die Soldaten der Bundeswehr, die nun die Wahlen in Kinshasa mit absichern sollen, dürfte der frühere Soldat der Wehrmacht kaum als Beispiel dienen. Schließlich wollen die Deutschen heute als unparteiische Friedenshüter und gute Europäer in Afrika glänzen.

Das Erbe des Söldnertums lässt sich gleichwohl nicht verdrängen, denn Leute vom Schlage Müllers haben den Gang der Geschichte im Kongo erheblich beeinflusst - stärker als in vielen anderen Teilen der Welt. Der irische Söldnerführer Mike Hoare, "Mad Mike" genannt, hat dies einmal so formuliert: "Ich wollte nur das Abenteuer und meine Befehle ausführen. Aber im Laufe der Zeit merkte ich, dass ich die Zukunft mitbestimmte."

Wenn europäische Soldaten heute nicht nur auf jubelnde Kongolesen stoßen, sondern gelegentlich auch Feindseligkeit und Ablehnung zu spüren bekommen, dann könnte dies auch mit dem kollektiven Gedächtnis im Herzen Afrikas zu tun haben.

Mit Spuren und Splittern afrikanischer Überlieferung, in der sich vielleicht auch die Angst vor den "Weißen Riesen" konserviert hat. Les Affreux hießen die Söldnertruppen bei ihren Gegnern auch. "Die Schrecklichen."

Schon die belgische Kolonialherrschaft war ein grausames Kapitel. Als die Herren aus Europa den Kongo dann überhastet in die Unabhängigkeit entließen, glitt der neue Staat schnell ins Chaos. In den Wirren der sechziger Jahre waren Söldner gefragte Leute, entweder um Sonderkommandos zu führen oder reguläre afrikanische Truppen gegen Aufständische zu verstärken.

Weltkriegsveteran Müller mischte dabei kräftig mit. "Die Deutschen sind gut in diesem Spiel", meinte Hoare.

Doch was für ein Spiel war das eigentlich, das es im Kongo zu gewinnen galt? Im Grunde wurde der Kongo zwischen den Kräften des Kalten Krieges zermahlen. Als sich die Belgier überstürzt zurückzogen und die Kontrolle verloren, versuchten Amerikaner und Russen, ihren Einfluss in Zentralafrika zu sichern.

Keinesfalls durfte der neue Staat Verbündeter des gegnerischen Blocks werden.

Patrice Lumumba, der erste Premier des unabhängigen Kongo, war keineswegs ein Kommunist und auch kein Vasall Moskaus. Er war ein Nationalist mit einer starken Vision. Als die Westmächte ihn enttäuschten, weil sie nicht genug unternahmen, um einen Zerfall des neuen Staates zu verhindern, wandte sich Lumumba an die Russen und bat um Hilfe.

Der Mann hatte enormes Charisma, aber ein wendiger Pragmatiker war er nicht. Er stand zu seinen Vorstellungen. 1961 bezahlte er dafür mit dem Leben. Vieles deutet darauf hin, dass belgische Geheimdienstler und die CIA in den Mord an Lumumba verwickelt, wenn nicht gar treibende Kräfte waren.

Lumumbas Leiche ist nie gefunden worden, ein belgisches Sonderkommando hat sie vermutlich zerstückelt und in Säure aufgelöst.

Die Belgier wollten Geschäftsinteressen sichern und stützten Moise Tschombé, der sich zunächst als Herr über die rohstoffreiche Region Katanga vom Rest des Kongo losgesagt hatte. Sein Plan, einen eigenen Staat zu gründen, scheiterte.

Kurze Zeit verschwand er im Exil, aber dann tauchte er wieder auf. Und wurde nun sogar Ministerpräsident für den gesamten Kongo. Das wiederum wollten Anhänger des ermordeten Lumumba nicht dulden, sie rebellierten.

Um den Aufstand niederzuschlagen, heuerten Premier Tschombé und Armeechef Mobutu, der spätere langjährige Diktator, eine schlagkräftige Söldnertruppe an.

Mit dabei: Siegfried Müller, einst Oberfähnrich der Wehrmacht. Angeworben als military technical assistance volunteer, flog er mit den ersten 38 Kämpfern von Südafrika aus in den Kongo. Als Weltkriegsveteran zählte Müller schon zu den alten Hasen.

Geboren in Crossen an der Oder, war er mit 19 in die Wehrmacht eingetreten und kämpfte während des Zweiten Weltkriegs in Polen, Frankreich und Russland, zunächst als Artillerist, dann als Panzerjäger.

Glückssuche in Afrika

1945 geriet er schwer verwundet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1956 wollte er in die Bundeswehr eintreten, was aber scheiterte. So versuchte Müller sein Glück in Afrika. Zunächst arbeitete er für eine Erdölfirma in der Sahara, wo er Minen des Deutschen Afrika-Korps räumte.

1962 zog er weiter nach Südafrika, wo ihn zwei Jahre später der Lockruf von Mike Hoare ereilte. Der Ire hatte für Tschombé schon während der Katanga-Sezession gekämpft, nun sollte er für seine afrikanischen Herren und dessen Paten im Westen noch einmal an die Front.

Söldner-Chef Hoare nahm die neuen Rekruten in Katanga persönlich in Empfang. "Er war so preußisch wie eine Pickelhaube", erinnerte er sich an das erste Treffen mit dem Deutschen. Aber er war auch beeindruckt, schließlich konnte dieser Müller mit einem Eisernen Kreuz I. Klasse protzen, das er natürlich auch jetzt im Busch tragen wollte.

Danach wurde Müller von seinen Mannen nie mehr ohne E.K. I an der Brust gesehen. "Es ging das Gerücht, dass er noch ein zweites hatte, das er sich an den Pyjama heftete", feixte Hoare. "Aber verbürgen kann ich mich dafür nicht."

Müller führte das Kommando 52 , eine der sechs Abteilungen, die Hoare für den Kampf gegen die Rebellen zusammenstellte. Sein Auftrag lautete, die Provinz Equateur im Norden zu befreien. Er befehligte 40 Weiße und etwa 150 Schwarze.

Nur zehn Wochen habe er für den Job gebraucht, behauptete er. Zwei Reportern des Stern, die sich damals zu Müller durchschlugen, gab er bei lauwarmem Bier der Marke "Polar" ein paar Einblicke in sein Seelenleben. "Dieses verrückte Land. Dieser Scheißkrieg. Dazu Moskitos, Sandläuse, nicht die geringste Zivilisation." Da müsse man mit seinen Leuten auch etwas "großzügig" sein. Was die Mädchen betreffe, zum Beispiel. Und Plündern, das durften sie auch. "Was sie finden, gehört ihnen." Schmuck, Uhren, alles "rechtmäßige Beute". Nur Waffen mussten sie abgeben.

Mit ihren Jeeps und leichten Radpanzern, Mörsern und neuen Sturmgewehren waren die weißen Kommandos den oft schlechter gerüsteten Rebellen überlegen.

"Ich kann mich erinnern, dass vor unseren Stellungen Hunderte von rebellischen Kongolesen abgeschossen wurden", erzählte Müller später. Jeder Einheimische, der auch nur im Verdacht stand, mit den Rebellen gemeinsame Sache zu machen, wurde bei solchen Vorstößen einfach "herausgenommen", wie die Söldner das gemeinhin nannten.

Müller rühmte sich später noch mancher Heldentat, doch sein Chef Mike Hoare lag offenbar nicht immer auf seiner Linie. Hauptmann Müller habe zu viel Abstand zu seinen Leuten gehalten, beklagte er.

Der Deutsche hätte seine Soldaten besser kennen lernen müssen, ihre Ängste und Hoffnungen, ihre Schwächen und Stärken. Ein distanzierter Führer sei in dieser Lage "eine Absurdität".

Aus dem Feld zurückbeordert, leitete Müller fortan den Söldner-Stützpunkt Kamina in Katanga. Hoare marschierte indes weiter auf Stanleyville (das heutige Kisangani) zu, wo sich der Konflikt mit den Rebellen gefährlich zuspitzte.

Die Aufständischen nannten sich Simbas, die Löwen, und hatten längst ihre eigene "Volkrepublik Kongo" ausgerufen. Sie vertrauten auf ihr Mayi, ein Zauberwasser, das sie unverwundbar machen sollte. Die Kämpfe nahmen nun immer deutlicher die Form eines Stellvertreterkrieges an.

Der Westen unterstützte Mobutus Armee samt Söldnern, die Rebellen erhielten Waffen und Gerät aus der Sowjetunion und Kuba. Belgische Offiziere leiteten schließlich eine Luft-Boden-Offensive, die so genannte Operation Dragon Rouge, um die Rebellen endgültig niederzuringen.

Die hatten inzwischen in Stanleyville etwa 1500 Weiße als Geiseln genommen, darunter auch die Angehörigen des US-Konsulats. 545 belgische Fallschirmjäger sprangen am 24. November 1962 über der Stadt ab, um sie zu erobern, doch Dutzende von Geiseln wurden in letzter Minute hingerichtet.

"Tötet, tötet, tötet alle Weißen"

Hoares Leute hatten sich ihren Weg durch den Busch freigeschossen, sie brannten ganze Dörfer nieder. Über Radio Stanleyville hörten sie die Schlachtrufe der Simbas. "Tötet, tötet, tötet alle Weißen." Doch der Kriegsmaschine des Gegners hatten sie schließlich nichts mehr entgegenzusetzen. Stanleyville fiel, nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Rebellion ganz zerschlagen wurde.

In Kommentaren, mit denen Siegfried Müller später seinen Kongo-Einsatz rechtfertigte, tauchte die ideologische Schablone des Kalten Krieges immer wieder auf. Dabei ließ er aber selbst durchblicken, dass das Argument eigentlich nur vorgeschoben war.

"Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die Idee des Westens, für Liberté, Fraternité, und so weiter. Sie kennen diese Sprüche." Hoare hingegen versuchte erst gar nicht, eine bestimmte Weltsicht zu bemühen: "Ich bin Soldat; meine einzige Sorge ist es, die Befehle auszuführen, die man mir gibt. Es handelt sich darum, das Land von diesen Leuten (den Aufständischen) zu säubern. Ich weiß nicht, warum sie kämpfen und was ihre Ziele sind. Aber ich weiß, dass es schlechte, gefährliche und unbarmherzige Menschen sind."

Viele Söldner heuerten nur aus einem Grund an: Sie brauchten Geld. Andere sehnten sich nach Ruhm und Anerkennung. Auf die Frage, warum er das alles gemacht habe, antwortete ein Südafrikaner: "Da war ich jemand. All diese Leute blickten zu mir empor. Sogar ein katangischer Offizier versuchte stets zu salutieren, wenn ich seinen Weg kreuzte."

Auch Müller gefiel die Vorstellung, kein Nobody mehr zu sein. "Man kennt mich von Washington bis Peking", prahlte er gerne nach seinem Kongo-Abenteuer.

Der Aufmarsch der Söldner ist oft gegeißelt worden, manche Beobachter aber wollen darin doch nur eine besonders gelungene militärische Operation sehen. Noch heute sei der Sturm auf Stanleyville "ein Beispiel dafür, was mit einer disziplinierten, koordinierten und motivierten Söldnertruppe in Zusammenarbeit mit dem regulären Militär erreicht werden kann", schreibt etwa der südafrikanische Kriegskorrespondent Al Venter in seinem Buch "War Dog" (Kriegshund).

Die Söldner hätten immerhin viele weiße Geiseln befreit und somit Menschenleben gerettet. Über die Opfer auf afrikanischer Seite verliert er kaum ein Wort. In der Analyse eines militärischen Fachblattes heißt es unter Berufung auf belgische Offiziere, dass in dem Bürgerkrieg etwa 300 Weiße getötet wurden - und bis zu 200.000 Kongolesen.

Müller sorgte später noch für einigen Zündstoff in Deutschland, weil er, reichlich angetrunken, zwei Dokumentarfilmern aus der DDR ein entlarvendes Interview gegeben hatte. Offenbar hielt er sie für Reporter aus dem Westen.

Gefundenes Fressen

Damals sagte er Sätze wie diese: "Als wir in Johannesburg waren, wurde gesagt, wir machen eine Jagd auf Neger oder so etwas, wir machen eine dolle Sache, keine Gefahr, alles Okay." Für die anti-imperialistische Propaganda-Maschine der DDR war das ein gefundenes Fressen.

Nach dem Kongo-Einsatz hatte der Deutsche noch große Pläne. In Vietnam wollte er später den Kommunismus bekämpfen, aber es rief ihn dann doch keiner zu Hilfe. So begnügte er sich damit, in Südafrika eine Firma für Werkschutz zu gründen. In den Krieg zog Müller nie wieder. Er starb 1983 an Krebs.

© SZ vom 29.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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