Deutsche Marine:Piratenjagd am Horn

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Die Piraterie vor Somalia hat so stark zugenommen, dass sich die EU einschaltet - auch die deutsche Marine soll Seeräuber verfolgen.

P. Blechschmidt und N. Richter

Das Boot Burum Ocean ist ein weißer Fischdampfer russischer Bauart, der Schleppnetze hinter sich herziehen kann. Eine harmlose Erscheinung, doch am Horn von Afrika soll die Burum Ocean Piraten als Mutterschiff dienen. Das International Maritime Bureau hat gerade ein Foto veröffentlicht, dazu eine Warnung: Binnen 48 Stunden haben Seeräuber im Golf von Aden vor der ostafrikanischen Küste vier Schiffe gekapert, darunter einen Frachter, der einer deutschen Reederei gehört.

Die deutsche Fregatte "Emden" in ihrem Einsatzgebiet im Golf von Aden. Die Deutsche Marine soll in Zukunft vor Somalia Piraten jagen. (Foto: Foto: dpa)

Der Bundesregierung zufolge fährt das überfallene Schiff unter ausländischer Flagge und es sind keine Deutschen an Bord; der Vorfall zeigt aber, dass die vielgenutzte Schifffahrtsstraße zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean zu den gefährlichsten Gewässern der Welt gehört.

Die Überfälle auf kommerzielle Schiffe und Touristenboote haben in diesem Jahr derart stark zugenommen, dass der UN-Sicherheitsrat Anfang Juni einschritt: Er erlaubte internationalen Kriegsschiffen, in somalische Gewässer einzudringen, um das Treiben der Piraten einzudämmen. Das Bürgerkriegsland Somalia ist dazu nicht in der Lage; die schwerbewaffneten Seeräuber können unbehelligt Besatzungen entführen und Lösegeld erpressen.

Um Seeräuber zu verfolgen, müsste die Verfassung geändert werden

Zwar kreuzen Kriegsschiffe aus Frankreich, den USA und Kanada im Anti-Terror-Einsatz vor der Küste, die Sicherheitslage hat sich aber seit der UN-Resolution kaum verbessert. "Wir rufen dazu auf, die Piraterie endlich ernsthaft zu bekämpfen", sagt Pottengal Mukundan vom Maritime Bureau, das zur Internationalen Handelskammer gehört.

Die deutsche Marine ist zwar in der Region präsent, kann aber nur in Notfällen gegen Piraten vorgehen. Bekämpfung von Seeräuberei ist laut Bundesregierung Polizei-Aufgabe, das Grundgesetz verbietet dem deutschen Militär als Polizei aufzutreten. Damit die Marine Piraten verfolgen könnte, müsste nach Ansicht der Regierung die Verfassung geändert werden. Die SPD ist dagegen, sie befürchtet, dass damit indirekt der Einsatz der Bundeswehr im Innern bejaht würde.

Laut Regierung gibt es aber einen Ausweg: eine EU-Mission gegen Piraterie vor Somalia im Rahmen der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Das Grundgesetz erlaubt in Artikel 24 die Beteiligung Deutschlands an einem "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit", wobei die eigenen Hoheitsrechte eingeschränkt werden können.

Diese Voraussetzung wäre nach Ansicht der Bundesregierung durch eine ESVP-Mission erfüllt. Das Verteidigungsministerium erklärte am Freitag, über eine solche Mission quasi im EU-Auftrag werde in der EU bereits beraten, der Einsatz könne voraussichtlich im Dezember beginnen. Deutschland werde "wahrscheinlich" dabei sein.

Deutsche Marinesoldaten fühlen sich untätig

Derzeit beteiligt sich Deutschland am Anti-Terror-Einsatz Operation Enduring Freedom (OEF) am Horn von Afrika mit einem Seefernaufklärer, Typ P-3C Orion. Eine deutsche Fregatte wird erst wieder im Herbst entsandt. Deutsche Marinesoldaten, die am Horn im Einsatz waren, haben stets beklagt, dass sie sich zur Untätigkeit verurteilt fühlten und darüber sehr verbittert seien.

Zumal da die Piraterie ein sehr reales Problem ist, während in sechs Jahren OEF-Einsatz noch kein einziger Terrorist abgefangen wurde. Selbst mit einem größeren Marine-Einsatz vor der Küste aber bliebe die eigentliche Ursache der lokalen Piratenplage unberührt: Chaos und Gesetzlosigkeit auf dem somalischen Festland.

© SZ vom 23./24. August 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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