Deutsche in Polen:Nie wieder Heino

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Versöhnung statt Streit: Die deutsche Minderheit in Polen hat fast handstreichartig einen Generationenwechsel durchgesetzt - der gleichzeitig ein Kulturwechsel ist.

Thomas Urban

Das Kloster auf dem St.Annaberg in Oberschlesien, wo vor 80 Jahren heftige Kämpfe zwischen Deutschen und Polen stattfanden, war dieser Tage Schauplatz eines großen Versöhnungsfestes. Tausende von polnischen und deutschen Oberschlesiern verabschiedeten den Oppelner Erzbischof Alfons Nossol.

Norbert Rasch, Chef des mitgliederstärksten Verbands der Deutschen in Polen in Oppeln (Foto: Foto: dpa)

Der 77-Jährige hatte großen Anteil daran, dass die starken Spannungen in der Region, die Anfang der neunziger Jahre immer wieder Schlagzeilen machten, abgeflaut sind. Nun geht Nossol in den Ruhestand - und Ruhe herrscht auch, wo lange Zeit der Streit dominierte.

Denn das Versöhnungsfest ist ein Höhepunkt in der Erfolgsgeschichte, die das Verhältnis der deutschen Minderheit in Polen zu ihrer Heimat prägt. In ihren Verbänden wurde fast handstreichartig ein Generationenwechsel durchgesetzt, der auch und vor allem ein Kurs- und Kulturwechsel ist.

An die Spitze des Dachverbandes der Deutschen in Polen wurde ein 50-Jähriger berufen: Bernard Gaida ist studierter Theologe und Experte für Holzwirtschaft. Den mitgliederstärksten Verband in Oppeln führt nun ein erst 37-Jähriger, der Germanist Norbert Rasch. Die neue, junge Mannschaft tritt so auf wie junge Politiker in Deutschland, viele haben dort studiert; die Jungen sprechen nicht mehr das altertümliche Deutsch ihrer Großeltern mit polnischen Einsprengseln und hören nicht mehr Heino, sondern organisieren Popkonzerte in Oberschlesien.

Beide Männer legten sogleich ein neues Konzept für die politische Arbeit der Minderheit vor: Lag bisher ein Schwerpunkt auf der Förderung des lokalen Mittelstandes durch günstige Kredite, so heißt nun die Parole: Bildung, Bildung, Bildung. Angestrebt wird der Aufbau einer deutschsprachigen Schule in jedem oberschlesischen Kreis. Bislang kamen die deutschstämmigen Schüler an den polnischen Schulen bestenfalls auf drei Stunden Deutsch pro Woche.

Gute Nachrichten also, wo einst Empörung herrschte: Für die polnische Öffentlichkeit war es ein Schock gewesen, als während der Polen-Reise von Bundeskanzler Helmut Kohl 1989 Demonstranten mit Plakaten auftraten, auf denen stand: "Helmut, du bist auch unser Kanzler!"

Schwerste Repressalien

Jahrzehntelang hatte die Parteipropaganda verkündet, dass es in Polen keine Deutschen mehr gebe. Doch im Wendejahr 1989 wurden überall in Schlesien, Pommern und Masuren deutsche Vereine gegründet, sie zählten bald 300 000 Mitglieder. Es sind ehemalige Bürger des Deutschen Reiches und ihre Nachkommen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Gebieten östlich von Oder und Neiße geblieben waren.

Ein Großteil von ihnen war in der Stalinzeit schwersten Repressalien ausgesetzt, es gab Arbeitslager für Deutsche, wo Zehntausende umkamen. Bis zum Ende der Parteiherrschaft hatten die Deutschen viele Schikanen zu erleiden. Deshalb siedelte die Mehrheit in die Bundesrepublik über, darunter die Familien der heutigen Fußballstars Miroslav Klose und Lukas Podolski.

Heute stellen die Deutschen zwei Dutzend Bürgermeister in der Woiwodschaft Oppeln, dort stehen mittlerweile auch, wie in der Lausitz oder in Südtirol, zweisprachige Ortsschilder. Anfangs wurden manche Schilder von polnischen Nationalisten zugesprüht, aber die polnischen Politiker der Region legen großen Wert darauf, dass diese Sprayer mutmaßlich von auswärts gekommen seien - weil man in Oberschlesien mittlerweile in Frieden miteinander lebe. Mittlerweile sind selbst solche Sprayattacken selten geworden.

© SZ vom 13.06.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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