Deutsch-türkische Beziehungen:Reden aus Sicherheitsgründen

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Nach der vorsichtigen diplomatischen Annäherung zwischen Ankara und Berlin: Die Experten aus beiden Ländern arbeiten wieder zusammen, was allen nützt. Es geht dabei vor allem um Terrorismus und Kriminalität.

Von Mike Szymanski, Berlin

Pragmatische Annäherung, aber Konfliktpunkte bleiben: Demonstration für den in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Nachdem auf diplomatischer Ebene die Außenminister der Türkei und Deutschlands auf einen Versöhnungskurs eingeschwenkt sind, versuchen nun auch die Sicherheitsbehörden beider Länder das angespannte Verhältnis zu normalisieren. Ein Jahr war Pause, nun sind am Mittwoch wieder Sicherheitsexperten unter Leitung der Staatssekretäre beider Länder in Berlin zum Austausch zusammengekommen. Innenstaatssekretärin Emily Haber und ihr türkischer Kollege Muhterem İnce vereinbarten, in Zukunft wieder enger und "effektiver" kooperieren zu wollen. "Beide Seiten betonten die Bedeutung ihrer Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität wie auch angesichts der internationalen Dimension des Terrorismus", betonte das Innenministerium. Die Gespräche auf Expertenebene sollen fortgesetzt werden, weitere Termine würden bereits in den kommenden Tagen vereinbart.

Nach dem Putschversuch in der Türkei im Sommer 2016, der Ausrufung des Ausnahmezustands und einer Verhaftungswelle, die neben mutmaßlichen Putschisten auch Regierungskritiker erreichte, kam die Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Sicherheitsbehörden komplett zum Erliegen. Wie wichtig allerdings der Austausch auch für Deutschland ist, hatte eine Reihe von Anschlägen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gezeigt. Am 12. Januar 2016 sprengte sich vor der Blauen Moschee in Istanbul ein Selbstmordattentäter inmitten einer deutschen Reisegruppe in die Luft. Zwölf Deutsche starben damals. Opfer aus Deutschland gab es auch, als Ende des Jahres in der Silvesternacht ein Angreifer des IS den Istanbuler Nachtclub Reina überfiel und um sich schoss. Zudem sei Deutschland "Ausgangspunkt und Ziel dschihadistischer Terroristen, deren Reisewege nach und von Syrien über die Türkei führen", begründete das Innenministerium die Notwendigkeit enger Zusammenarbeit.

Der türkischen Seite ist ein gemeinsames Vorgehen gegen die terroristische kurdische PKK besonders wichtig. In der Vergangenheit haben ranghohe Politiker bis hinauf zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan Deutschland vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen deren Mitglieder und Anhänger vorzugehen. Sie hätten in Deutschland einen sicheren Rückzugsraum gefunden. Einig seien sich die Sicherheitsbehörden darin, dass auch von der linksterroristischen türkischen DHKP-C eine Bedrohung ausgehe. Der Verfassungsschutz geht von mehreren Hundert Anhängern in Deutschland aus. Auseinander liegen die Sicherheitsexperten weiter in der Frage des Umgangs mit Anhängern der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die Ankara für den Putschversuch verantwortlich macht und als Terroristen einstuft. Die Türkei verlangt die Auslieferung von Gülen-Anhängern, darunter Beamte und Militärangehörige, die in Deutschland Asyl beantragt haben. Auf deutscher Seite heißt es, die entsprechenden Belege fehlten.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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