Deutsch-Türken bei der Bundeswehr:Sprach-untauglich

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Sie sind tauglich, jung und fit. Und sie haben einen deutschen Pass. Doch: Deutsch-Türken müssen selten zur Bundeswehr.

Roland Preuß

Einerseits ist Herbert Burgmüller ja froh, dass die Bundeswehr seine vier deutsch-türkischen Mitarbeiter nicht holt. Aber gewundert habe ihn das schon, sagt der Chef eines fränkischen Großhändlers. Denn die Jungs seien topfit: Zwei arbeiteten nebenher als Kampfsporttrainer, einer spiele hervorragend Fußball. Alle haben einen deutschen Pass. Zum Wehrdienst aber musste keiner.

Bei der Bundeswehr haben die wenigsten Soldaten einen Migrationshintergrund. (Foto: Foto: ddp)

Nur zwei deutsche Kollegen robbten sich gerade durch ihre neun Monate bei der Truppe, sagt Burgmüller. Seinen richtigen Namen will der Geschäftsführer lieber nicht in der Zeitung lesen, sonst könnte die Bundeswehr ja doch noch auf die Idee kommen, jemanden einzuziehen.

Burgmüllers Erfahrung spiegelt sich auch in der amtlichen Statistik wider. Nach Zahlen des Verteidigungsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, werden deutsch-türkische Doppelstaatler auffällig selten zum Wehrdienst einberufen. So wurden von Anfang 2000 bis Herbst 2008 von den 2,3 Millionen Männern, die für tauglich befunden worden waren, gut zwei Drittel tatsächlich eingezogen.

Gute Erfahrungen

Unter den fast 2600 tauglichen Deutsch-Türken war es dagegen nur etwas mehr als ein Drittel (35,2 Prozent). Die Zahlen umfassen laut Ministerium zwar nicht alle Deutsch-Türken, weil Angaben zu einem zweiten Pass bei der Musterung freiwillig seien. Wer von den 2600 tatsächlich antreten musste, lässt sich aber zuverlässig feststellen. Zur möglichen Ursache möchte sich das Ministerium nicht äußern. "Wir haben gute Erfahrungen mit Migranten in der Bundeswehr", sagt ein Sprecher.

Die Doppelstaatler unterliegen rechtlich gesehen voll der deutschen Wehrpflicht, auch wenn sie einen türkischen Pass haben. Entscheidend ist, wo sie wohnen. Deshalb in die Türkei zu ziehen, lohnt sich nicht. Der Dienst dort dauert in der Regel länger und gilt als härter. Hintergrund der wenigen Einberufungen sei die Eignung der Doppelstaatler, heißt es aus Kreisen der Wehrverwaltung. Jeder gesunde Wehrpflichtige, der nicht Zivildienst leisten will, muss neben der Musterung einen mehrstündigen Eignungstest absolvieren, in dem die Reaktionsschnelligkeit, aber auch Mathematik- und Deutschkenntnisse geprüft werden.

Mehr können als das Gewehr halten

Viele Deutsch-Türken schnitten im Sprachtest aber so schlecht ab, dass sie dauerhaft zurückgestellt würden - meist also nie in die Kaserne müssten, heißt es aus Behördenkreisen. Schließlich soll der Rekrut ja mehr können als ein Gewehr halten - etwa Befehle auf Anhieb verstehen oder Warnhinweise. Dass die Doppelstaatler bei der Prüfung besonders erfolgreich schummeln, glaubt er nicht. "Mogler fallen uns auf."

Offenbar wirkt sich bei der Bundeswehr die versäumte Integration von Zuwanderern aus. Unter den Türkischstämmigen in Deutschland gibt es etwa fünfmal so viele Schulabbrecher wie in der gesamten Bevölkerung, schlechte Deutschkenntnisse sind da nicht verwunderlich. Unter Personalmangel leidet die Bundeswehr deshalb nicht, aber durchaus ihr Anspruch, Wehrpflichtige gerecht auszuwählen. Zudem können Zuwanderer in den Ruf geraten, besser als andere Deutsche behandelt zu werden, was die Ausländerfeindlichkeit befördern könnte.

Absicht sei die Ungleichbehandlung sicher nicht, sagt der Verteidigungsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Bernd Siebert. "Wenn es an der Sprache liegt, dann muss die Bundeswehr jedoch etwas unternehmen, etwa Crashkurse in Deutsch anbieten." Sie müsste in den Kasernen also ein Stück weit Integration nachholen.

© SZ vom 15.1.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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