Der Holocaust und die Meinungsfreiheit:Vorsicht Zündel

Wer in Deutschland die Vernichtung der Juden während des Dritten Reiches leugnet, wird bestraft. Warum das 62 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes noch immer sein muss.

Heribert Prantl

Die Meinungsfreiheit ist ein grundsätzlich barmherziges Grundrecht; sie fragt nicht nach der Güte der Gedanken; sie gilt für jeden Krampf, sie deckt Stumpfsinn und Schwachsinn ebenso wie galoppierende Dummheit. Man kann sich also durchaus überlegen, ob es nicht richtig wäre, braunes Allerweltsgeschwafel künftig straflos zu lassen.

Dann würde die Stupidität alter und neuer Nazis nicht mehr dadurch geadelt, dass staatliche Gerichte sich ernsthaft damit befassen müssen; dann hätten die einschlägigen Angeklagten und ihre einschlägigen Verteidiger nicht mehr die staatliche Bühne für ihre immer gleiche braune Leier; ihre Solidaritätsadressen mit dem NS-Regime könnten sie dann bei ihresgleichen abliefern statt im Gerichtssaal - und sie hätten nicht mehr die Chance, sich auch noch als Märtyrer der Meinungsfreiheit zu gerieren.

Ernst Zündel, ein fanatischer Judenhasser, ist kein Märtyrer der Meinungsfreiheit: Er ist mehr als ein brauner Allerweltsschwafler, auch mehr als ein globaler Nazi-Propagandist - er ist ein Gewaltpräparand.

Eine Frage, die sich selbst beantwortet

Er müsste auch dann wegen Volksverhetzung bestraft werden, wenn die Leugnung des Holocausts nicht mehr unter Strafe gestellt wäre, wie das in Deutschland, aus historischen Gründen, heute noch der Fall ist. Wenn einer wie Ernst Zündel bestraft wird, dann nicht nur, um das Gedenken der NS-Opfer zu bewahren, sondern um neue Opfer zu schützen.

Muss diese Vorsicht 62 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes immer noch sein? Wer die alltäglichen Spuren fremdenfeindlicher Gewalt in Deutschland studiert, wer sieht, wie jüdische Einrichtungen noch immer geschützt werden müssen, der beantwortet sich diese Frage selbst.

© SZ vom 16. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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