Dementi aus dem Sozialministerium:Schmidt plant keine Erhöhung des Rentenbeitrags

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Angesichts eines neuen Milliardenlochs in den Rentenkassen ringt die rot-grüne Koalition um die Alternativen Rentenkürzung oder höherer Beitragssatz zur Rentenversicherung: Sozialministerin Ulla Schmidt spricht sich bisher gegen beide Varianten aus.

Schmidt (SPD) will trotz des Milliardendefizits in der Rentenkasse weder die Renten kürzen noch die Beitragssätze anheben: "Beide Ziele gelten für den Rentengipfel am Sonntag nach wie vor", sagte ihr Sprecher Klaus Vater am Samstag in Berlin. Er widersprach damit Medienberichten über mögliche Rentenkürzungen und eine geplante Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte auf 19,7 Prozent.

Entscheidung bei Rentenklausur geplant

Sozialministerin Schmidt hat bisher nicht erkennen lassen, wie sie das Defizit von acht Milliarden Euro plus zwei Milliarden Sparbetrag beim Rentenzuschuss des Bundes decken will. Sie habe ihre Ziele stabiler Beitragssatz und Erfüllung des Sparbeitrags beim Zuschuss nicht aufgegeben, sagte ihr Sprecher Klaus Vater. Vater betonte, es gebe noch keine Festlegungen. Entscheidungen würden erst am Sonntag bei der Rentenklausur im Kanzleramt getroffen.

Dabei sollen auch Eckpunkte für eine langfristige Reform besprochen werden. Anschließend sollen die Entscheidungen einer Funktionärskonferenz der SPD vorgestellt werden. Das Gesetz über den Rentenbeitragssatz des Jahres 2004 und die Einsparmaßnahmen soll voraussichtlich am 28. Oktober in einer Sondersitzung des Bundestages in erster Lesung beraten werden.

Unterdessen warnten Politiker der Grünen, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, vor einer Erhöhung der Rentenbeiträge, weil das die Konjunktur gefährde.

SPD-Linke gegen Rentenkürzung

Dagegen hielt der linke Flügel der SPD-Fraktion angesichts des neuen Milliardenlochs eine Erhöhung des Rentenbeitrags für unumgänglich. "Es kann nicht sein, dass dieser Fehlbetrag mit einer Rentenkürzung ausgeglichen wird", erklärten drei Abgeordnete im Namen der rund 120 Abgeordneten der Parlamentarischen Linken (PL) in der Fraktion.

Die Linken wollten sich auch für ein Absenken der Schwankungsreserve einsetzen, erklärten die Parlamentarier Karin Roth, Erika Lotz und Peter Dreßen. Außerdem müsse noch einmal über die Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung um zwei Milliarden Euro gesprochen werden. So könne eine Beitragserhöhung abgemildert werden.

Merkel kündigt Widerstand an

Die Union will nach den Worten von CDU-Chefin Angela Merkel Maßnahmen der Regierung für die Rente auf keinen Fall mittragen. Die derzeitige Lage der Rentenkassen sei allein auf die "desaströse" Politik der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen, sagte Merkel am Rande des Deutschlandtags der Jungen Union (JU) in Cottbus. "Dafür können wir mit Sicherheit nicht unsere Hand reichen."

Die Süddeutsche Zeitung berichtete, das Kabinett wolle eine Anhebung des Beitragssatzes auf bis zu 19,8 Prozent beschließen. Auch nach Informationen der Leipziger Volkszeitung schließt die Koalition eine Beitragserhöhung nicht aus. Rund sieben Milliarden Euro könnten demnach eingespart werden durch eine Anhebung um 0,2 Prozentpunkte, den Abbau der Schwankungsreserve, die Verschiebung der nächsten Rentenanpassung um ein halbes Jahr sowie die Rentenauszahlung an Neurentner einen Monat später.

Laut Focus gibt es in Schmidts Ministerium Pläne, für Frauen, die keinen Kinder erzogen und durch Berufstätigkeit einen eigenen Rentenanspruch erworben haben, die Witwenrente zu kürzen oder gar zu streichen.

Christine Scheel, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, sagte der Chemnitzer Freien Presse, es müsse alles versucht werden, den Rentenbeitrag von 19,5 Prozent stabil zu halten. Es sei besser, die Schwankungsreserve in der Rentenkasse von derzeit einer halben Monatsrente aufzulösen.

Der Parlamentarische Geschäftsfüher der Grünen, Volker Beck, erklärte, das Absenken der Schwankungsreserve würde weder Rentner noch Bundeshaushalt unmittelbar belasten. Ein Beitragsanstieg würde dagegen die Senkung der Lohnnebenkosten durch Gesundheits- und Hartzreform konterkarieren.

Hundt sprach sich ebenfalls gegen Beitragserhöhungen aus und forderte in der Tageszeitung Die Welt, die nächste Rentenerhöhung komplett für ein Jahr auszusetzen. Langfristig müsse das Rentenniveau gesenkt und die Rente ab 67 eingeführt werden.

Beitragssatz von 19,5 Prozent "kein Dogma"

Zimmermann plädierte im Bremer Kurier am Sonntag ebenfalls dafür, Rentenerhöhungen ausfallen zu lassen. Eine stärkere Belastung der Rentner sei "unabdingbar. Für eine moderate Beitragserhöhung sprachen sich dagegen Nordrhein-Westfalens Sozialministerin Birgit Fischer (SPD) und der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske aus. Fischer sagte der Berliner Zeitung, der Beitragssatz von 19,5 Prozent sei "kein Dogma".

Fischer hält überdies eine Nullrunde bei den Renten für möglich. "Eine Verschiebung der nächsten Rentenanpassung um ein halbes Jahr auf Januar 2005 ist durchaus zumutbar, wenn dadurch steigende Beitragssätze verhindert werden", betonte sie.

Bsirske plädierte ebenfalls für höhere Beitragssätze, warnte aber ebenso wie Fischer davor, die Schwankungsreserve weiter zu verringern. Der Verzicht auf die Schwankungsreserve bedeute, den Beitragssatz konjunkturanfällig zu machen, und die Beitragssätze häufig anheben zu müssen, sagte Bsirske im DeutschlandRadio.

Schmidts Staatssekretär Franz Thönnes erklärte am Samstag, das Defizit in der Rentenklasse sei "das Ergebnis von drei Jahren Mini-Wachstum und Stagnation". Nicht Staat und Rentenversicherung seien die Ursache, sondern fehlende Einzahlungen aufgrund gestrichener Arbeitsplätze und gekürzter oder weggefallener Einmalzahlungen wie das Weihnachtsgeld.

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