Degler denkt:Schwarz-Gelb - reif für die Eheberatung

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Erst wenige Wochen im Amt, finden Union und FDP nicht zueinander. Wie eine Zwangsheirat wirkt das. Da lief es zwischen 2005 und 2009 schon besser.

Dieter Degler

Man könnte über die Verabschiedung des Swift-Abkommens zwischen der EU und den USA schnell zur Tagesordnung übergehen. Das Papier zur Abfrage europäischer Bankkontendaten durch US-amerikanische Behörden wird zwar den Bedenken von Datenschützern bei weitem nicht gerecht, und es wurde auch politisch ungeschickt, nur Stunden vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages, verabschiedet. Aber es gilt zum Glück nur für neun Monate, dann entscheiden jene, die dafür künftig zuständig sind: die EU-Parlamentarier.

Koalition in der Krise: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) (Foto: Foto: ddp)

Die Art und Weise aber, in der das Abkommen zustande kam, ist bemerkenswert. Es gelang nur, weil sich der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der Stimme enthielt - ein Affront gegen den Koalitionspartner FDP. Deren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich wegen datenschutzrechtlicher und anderer Bedenken heftig gegen die Unterzeichnung der Vereinbarung ausgesprochen.

Es ist sicher nicht der größte Konfliktfall zwischen Schwarz und Gelb - aber er ist bezeichnend. Die neuen Partner in Berlin, die so lange aufeinander warten mussten, sind nicht das Traumpaar der deutschen Politik, im Gegenteil.

Während die inhaltlich weniger dicht beieinander liegenden Ex-Koalitionäre SPD und CDU in der vergangenen Legislaturperiode weitgehend harmonisch über die Zeit kamen, kracht es bei Schwarz-Gelb schon in den ersten Wochen an allen Ecken und Enden. Ob Swift, Wachstumsbeschleunigungsgesetz oder der Fall Erika Steinbach - von Honeymoon ist keine Rede. Konflikte prägen die ersten Koalitionswochen.

Am heftigsten ist der Streit um das dritte Konjunkturpaket, welches das zögerliche Wirtschaftswachstum beschleunigen soll. Das vor allem von FDP und CSU ersehnte Umsatzstimulans führt zu heftigen Verwerfungen - sowohl bei der Union als auch bei den Liberalen. Weil den Bundesländern Milliardeneinnahmen zu entgehen drohen, laufen die CDU-Ministerpräsidenten Sturm gegen die Steuersenkungspläne. Und wo, wie in Schleswig-Holstein, die Liberalen mitregieren, machen ebenfalls sie Front gegen die kostspielige Erfüllung der Wahlversprechen von Angela Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer.

Auch der Streit um die Berufung der Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach in den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" lässt die Regierungspartner wie einander abstoßende magnetische Pole erscheinen. Während FDP-Chef Westerwelle alles vermeiden will, was das deutsch-polnische Verhältnis belasten könnte, will die Kanzlerin ihre in Polen schwer umstrittene Favoritin um nahezu jeden Preis durchsetzen.

Es ist schon seltsam, was da gerade in Berlin geschieht, besonders im Kontrast zur letzten Legislaturperiode: Die vermeintlich so unterschiedlichen Christ- und Sozialdemokraten wirken in der Rückschau wie füreinander geschaffen. Und die vermeintlich natürlichen Partner, die von Adenauer bis Kohl jahrzehntelang gemeinsame politische Sache gemacht haben, wirken plötzlich wie nach einer Zwangsverheiratung.

Und es könnte sein, dass sich Angela Merkel schon jetzt nach den Partnern Müntefering und Steinmeier zurücksehnt. Schließlich ist sie eine Sozialdemokratin des Herzens.

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