Degler denkt:Die Rückkehr der Clintons

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Erstmals hat Hillary Clinton ihren Rivalen Barack Obama beim Spendensammeln abgehängt. Jetzt kann nur noch eine Panne die geschmeidige Demokratin am Einzug ins Weiße Haus hindern.

Dieter Degler

Stellen Sie sich bitte mal vor, Peter Kohl, der Sohn von Ex-Kanzler Helmut, hätte in der CDU Karriere gemacht. Und statt Merkel hätte er die Nachfolge von Gerhard Schröder angetreten. Und dann stellen Sie sich noch vor, er wäre ein so miserabler Regierungschef, dass für seine Nachfolge nur ein SPD-Mitglied in Frage käme. Und dieses Mitglied hieße Doris Schröder-Köpf und wäre gemanagt von - genau - Ex-Kanzler Schröder. Wahnsinn?

Mitnichten. Genau das ist seit ein paar Tagen die Lage in den USA. Hillary Clinton, in Umfragen ohnehin weit vorne, hat im dritten Quartal erstmals ihren einzigen ernsthaften innerparteilichen Konkurrenten Barack Obama beim Spendensammeln überholt. Zwar starten die Vorwahlen erst im Januar, und der eigentliche Wahltermin ist noch ein Jahr entfernt. Doch Straucheln auf dem langen Weg ins Weiße Haus könnte Hillary nur noch durch eine politische Katastrophe oder schmutzige Intrige.

Gewinnt sie, wären die USA 24 - oder gar 28 - Jahre nur von Bushs und Clintons regiert, eine für demokratisch verfasste Staaten geradezu semiroyale Zeitspanne. "Clincest" nennen ratlose Republikaner das Phänomen denn auch oder wenigstens die Dynastifizierung der amerikanischen Politik, und das ist auch fast schon das stärkste Argument, das ihnen gegen den schier unaufhaltsamen Siegeszug der demokratischen New Yorker Senatorin einfällt.

Zahlreiche offene Fragen

Dabei gäbe es Fragen über Fragen: Warum reiht sich die Kandidatin nicht in den Chor ihrer Parteifreunde ein, die den schnellen Rückzug aus dem Irak fordern? Welche Rolle wird Ehemann Bill, der künftige - und erste überhaupt - First Gentleman der USA spielen? Wird er ein Außenminister ohne Amt und demokratische Legitimation?

Droht dem Land ein politisches Erstarren, wenn die gleichen Leute wie in den neunziger Jahren wieder am Ruder sind? Schon damals klagte der demokratennnahe New Republic, die Clintons seien eine "inzestuöse Clique" aus Babyboomern, die alle an den gleichen Unis die gleichen Abschlüsse gemacht haben.

Hillary weicht solchen Fragen am liebsten eloquent und geschmeidig aus, ohne dass es ihr übelgenommen würde. Beharrlich weigert sie sich beispielsweise, ihr ursprüngliches Votum für den Irakkrieg zu bedauern. Die Ausstrahlung von politischer Stabilität und Berechenbarkeit ist ihr wichtiger.

Ihr schadet auch nicht, wenn sich Entertainment-Größen wie David Geffen, der Gründer von Dreamworks, mitten im Vorwahlkampf auf die Obama-Seite schlagen, weil sie die Clintons für so ehrgeizig, polarisierend und verlogen halten, dass sie außerstande seien, das über den Irakkrieg gespaltene Land wieder zu einigen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Strahlkraft die politische Marke Clinton noch immer in den USA hat.

Dafür hat sie den Basketball-Superstar Magic Johnson und die Mediengrößen Steven Spielberg und Haim Saban an ihrer Seite. Auch ihr größtes politisches Desaster, die gescheiterte Reform des US-Gesundheitswesens, hat sie durch einen deutlich verbesserten Plan geheilt. Und dass sie bei vielen Amerikanern als eiskalte Emanze mit Chef-Allüren verhasst ist, die nur aus machtpolitischem Kalkül zu ihrem untreuen Ehemann gestanden habe, scheint sie nur stärker zu machen.

In der jüngsten Umfrage der Washington Post liegt sie unglaubliche 33 Punkte vor Obama, im abgelaufenen Quartal hat sie 22 Millionen Dollar (drei mehr als Obama) an Wahlkampfspenden eingesammelt. Und politische Analysten loben ihre - vor allem im Vergleich zum amtierenden Präsidenten - beeindruckende Sachkompetenz, ihr ungeheures Detailwissen und ihren perfekt agierenden Wahlkampfstab, den Hillarys Freundin Patty Solis Doyle mit eiserner Hand leitet.

Ihr vielleicht größter Vorteil ist die politische Marke Clinton und die Strahlkraft, die von ihr ausgeht. Das Lewinsky-Impeachment gegen Ehemann Bill hat bei den meisten Amerikanern keine Nachwehen hinterlassen, im Gegenteil: Er gilt als rehabilitiert und als einer der charismatischsten Politiker überhaupt, in vielen europäischen Ländern gar als Superstar.

Bill, der Welt-Botschafter

Und er soll, soviel hat Hilllary schon verraten, ihr "Welt-Botschafter" werden - in welchem Amt auch immer. Das wirkt wie Balsam auf die US-Wählerseele, die unter dem durch Irak, Abu Ghraib und Guantanamo beschädigtem internationalen Renommee leidet.

Ob Europa und Deutschland von einer Mrs. President profitieren würden, ist allerdings völlig offen. Amerikanische Regierungschefs, gleich welcher Partei, sind bislang selten durch übergroße internationale Sensibilität hervorgetreten. Allerdings: Bei den Clintons dürfte man möglicherweise eher darauf hoffen als bei Vater und Sohn Bush, dass sie andere wenigstens ernsthaft anhören, bevor sie auf irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen roten Knöpfe drücken.

Die Bill-Karte haben jedenfalls viele unterschätzt, auch kluge Leute. Der großartige amerikanische Autor Philip Roth ("Jedermann", "Verschwörung gegen Amerika") beispielsweise wagte vergangenes Jahr noch den vollmundigen Spruch, falls ein Demokrat die Wahl in allen 50 Bundesstaaten verlieren könne, dann sei dies Hillary Clinton.

Letzte Woche drängte es ihn, zu revozieren. Er sei sich nun nicht mehr so sicher.

Dieter Degler ist Publizist und Unternehmensberater und war langjähriger Chefredakteur von Spiegel online.

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