Debatte um Killer-Spiele:"Sie animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten"

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Wie schon nach den Amokläufen in Bad Reichenhall und Erfurt fordern Lehrer und Politiker das Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele. Doch ein Herstellungsverbot für Baller-Spiele ist kaum umsetzbar. Die SPD will Polizisten im Internet "Streife gehen" lassen.

Nach dem Amoklauf eines 18-Jährigen an einer Realschule in Emsdetten will Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit einer Bundesratsinitiative ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen erreichen.

Virtuelles Vorbild? In Computerspielen wie Counter-Strike darf am Bildschirm gemordet werden. (Foto: Foto: dpa)

Ein Herstellungsverbot sei schwer umsetzbar, da der Großteil der Baller-Spiele im Ausland programmiert werde. Ein Verbot zur Verbreitung in Deutschland sei allerdings ein wichtiger erster Schritt, sagte Schünemann. Ziel sei ein Herstellungs- sowie ein Verbreitungsverbot.

Außerdem forderte der Minister die Abschaffung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Notwendig sei ein neues Gremium zur Überprüfung von Computerspielen, das "rein in staatlicher Hand" liege.

"Vordergründige Diskussion"

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte davor, die Diskussion auf das Verbot von Computerspielen zu verengen. Das Gewaltphänomen müsse breiter analysiert werden.

"Jetzt zu diskutieren, Computerspiele zu verbieten - so richtig das sein mag - das ist kein Erklärungsmuster, um mit dem Phänomen Gewalt in unserer Gesellschaft umzugehen. Wir brauchen Frühwarnsysteme, und nicht diese vordergründige Diskussion um das Verbot von Killerspielen."

Vor allem das Internet müsse stärker polizeilich kontrolliert werden, sagte Wiefelspütz dem Sender N24. "Wir müssen, ich sag's mal etwas platt, mit der Polizei auch im Internet Streife gehen." Dort passiere auch alles Grausame, was auch sonst in der Welt passiere.

Der Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU), räumte ein, dass die Politik nach dem Amoklauf von Erfurt nicht schnell genug reagiert habe. Im Bayerischen Rundfunk forderte er, es müssten mehr Schulpsychologen eingesetzt werden.

"Keine Auswege für Verlierer"

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, warnte vor einer "Amok-Gesellschaft". "Brutale Computerspiele und Videofilme gaukeln Jugendlichen den schnellen Sieg des Stärkeren vor", schreibt er in der Bild-Zeitung. "Auswege für den Verlierer bieten sie nicht."

Kraus forderte ein Umdenken der Gesellschaft. Es müsse "mehr Interesse am Mitmenschen" praktiziert werden. Eltern und Lehrer seien dabei wichtige Vorbilder.

Bayerische Lehrer fordern Konsequenzen aus dem Amoklauf: Verbale und psychische Gewalt im Schulalltag hätten zugenommen. Darauf müsse die Politik reagieren. Notwendige Maßnahmen seien kleinere Klassen und mehr unterstützendes Personal. Die Zahl der Schulsozialarbeiter und Psychologen sollte aufgestockt und Gewalt verherrlichende Computerspiele verboten werden.

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat eine Bundesratsinitiative zum Verbot der Killerspiele angekündigt. Nach Angaben seines Ministeriums soll die Initiative im Frühjahr kommenden Jahres von Niedersachsen in die Länderkammer eingebracht werden.

Schünemann hatte demnach bereits vor einem halben Jahr von der Innenministerkonferenz der unionsregierten Länder den Auftrag erhalten, ein Verbot vorzubereiten. Vor zwei Monaten habe man einem Kriminologen ein Gutachten zu den Gefahren der Spiele in Auftrag gegeben.

"Unverantwortlich und indiskutabel"

Angesichts der aktuellen Ereignisse habe man beschlossen, parallel zu dem Gutachten bereits eine Bundesratsinitiative zu erstellen.

Auch Bayern unterstützt die Initiative: "Nach dem verheerenden Amoklauf von Emsdetten darf es keine Ausreden und Ausflüchte mehr geben: Killerspiele gehören in Deutschland verboten", betonte Ministerpräsident Edmund Stoiber in München.

"Sie animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten", betonte der CSU-Chef. "Das sind völlig unverantwortliche und indiskutable Machwerke, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen." Stoiber sagte, der Staat dürfe hier nicht einfach zuschauen und nichts tun. Bayern habe bereits seit 1999 nach einem Amoklauf in Bad Reichenhall wiederholt Gesetzesinitiativen zum Verbot von Killerspielen gestartet.

"Bisher haben wir für unsere Initiativen noch keine ausreichende Unterstützung gefunden", sagte der Ministerpräsident. Nun setzte er jedoch darauf, dass ein entsprechendes Vorhaben endlich Erfolg haben werde.

Die bayerische Familienministerin Christa Stewens (CSU) forderte Computerspiele wie "Gotcha", "Paintball" und "Laserdrome" auf den Index zu setzen. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD habe diese Absicht zwar aufgegriffen. Doch habe sich die Bundesregierung im August 2006 erneut gegen ein Verbot ausgesprochen. Nun sei es "höchste Zeit zu handeln".

Stewens verwies darauf, dass der Amokschütze von Emsdetten offenbar Killerspiele gespielt habe. Diese seien für Jugendliche ungeeignet. "Ballerspiele wie 'Counter Strike' oder 'Doom 3' lassen die Spieler verrohen und sind mitursächlich für Gewalttaten, die menschliches Vorstellungsvermögen übersteigen", betonte die Ministerin.

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