Debatte über Atomausstieg:Die Union und der neue Reiz der Kernkraft

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Der Ruf in der Union nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke wird immer lauter. Neben CSU-Chef Huber und Kanzlerin Merkel hat sich jetzt auch Bundespräsident Köhler in der Debatte zu Wort gemeldet - und Position bezogen.

Die Union setzt offenbar darauf, nach der Bundestagswahl 2009 den vereinbarten Atomkonsens zu revidieren und zumindest bestehende Kernkraftwerke länger in Betrieb zu lassen. Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Erwin Huber lehnten es ab, den Ausstieg aus der Kernenergie im Grundgesetz festzuschreiben, und befürworteten längere Laufzeiten. Die Frage stelle sich spätestens in der nächsten Wahlperiode, so die CDU-Vorsitzende.

Die Debatte über längere AKW-Laufzeiten - hier das Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld - dürfte im nächsten Bundestagswahlkampf eine bedeutende Rolle spielen. (Foto: Foto: dpa)

Merkel sagte, zwar könnten die Probleme des Klimawandels nicht allein mit Kernenergie gelöst werden. "Aber wir werden unsere Versorgung auf absehbare Zeit klimagerecht auch nicht völlig ohne Kernenergie sicherstellen können."

Überlegungen aus der SPD, im Gegenzug zu einer Laufzeitverlängerung den Atomausstieg ins Grundgesetz zu schreiben, lehnte sie ab. Die Energieversorgung sei kein Gegenstand der Verfassung.

"Da gibt es kein Wackeln"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warnte die Union am Samstag davor, den Atomkonsens aufzuschnüren. Für die SPD bleibe es beim geordneten Ausstieg. "Da gibt es kein Wackeln", sagte Heil der Nachrichtenagentur AP und verwies auf den Koalitionsvertrag. Längere Restlaufzeiten nutzten vor allem den Profiten der Energiekonzerne, nicht aber den Verbrauchern. Gebraucht würden vielmehr Investitionen in moderne Kraftwerkstechnik sowie in erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

"Wenn die Union den Bundestagswahlkampf tatsächlich zu einer Auseinandersetzung über Atomkraft machen will, dann wünsche ich gute Reise", sagte Heil. Auch die Grünen verteidigten vehement den unter Rot-Grün eingeschlagenen Ausstiegskurs. "Wenn CDU und CSU 2009 über die Atomenergie abstimmen wollen, sind wir bereit", versicherte Fraktionschefin Renate Künast. Die Grünen würden der "Atomlüge" entgegentreten und die falschen Versprechen von sinkenden Preisen, Klimaschutz und Sicherheit widerlegen.

Köhler spricht von Übergangstechnologie

Unterdessen hat sich auch Bundespräsident Horst Köhler in die Debatte eingeschaltet: Er hält es angesichts der enorm gestiegenen Energiepreise "für richtig", dass nun über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken diskutiert wird. Allerdings sieht er in der Atomenergie nicht "der Weisheit letzten Schluss", sondern eine Übergangstechnologie, wie er im Sommerinterview der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte (Sonntagabend).

Der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust sagte zu der Causa: "Wir brauchen die Kernkraft noch, aber sie ist eine Übergangslösung", so der CDU-Politiker, der mit den Grünen regiert.

"Kernkraft ist Ökostrom"

CSU-Chef Huber will nach der Wahl neu über Laufzeiten und Endlagerung verhandeln. Künftige Neubauten schloss der CSU-Chef nicht aus: "Ich sehe heute niemanden, der neue Kernkraftwerke in Deutschland auf den Weg bringen will. Aber ich sage, Kernkraft ist Ökostrom, und Ökostrom soll man per Grundgesetz verbieten?"

Politik dürfe neue Kraftwerke nicht "tabuisieren", so die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Marie-Luise Dött (CDU). "Beim Bau neuer Atomkraftwerke sollten wir nicht über das Ob, sondern über den Kraftwerkstyp reden", forderte sie.

Der CDU-Wirtschaftsrat nannte den Atomausstieg eine "energie- und klimapolitisch verheerend falsche Entscheidung". Wenn auf der ganzen Welt Kernkraftwerke gebaut würden, dürfe sich Deutschland nicht aus der Forschung und Entwicklung verabschieden, mahnte der Vorsitzende Kurt Lauk.

Deutschland müsse bei seiner Vorreiterrolle beim Ausstieg bleiben, forderte dagegen der ehemalige Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer. Kein anderes Land sei bei der Entwicklung erneuerbarer Energien weiter. "Jetzt gilt es zu beweisen, dass eine prosperierende Volkswirtschaft eine Energieversorgung ohne Kernenergie aufbauen kann", sagte der frühere Bundesumweltminister (CDU).

© AP/dpa/Reuters/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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