De Maizière im Porträt:Schlüsselfigur im sächsischen Skandal

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"Was hat er wirklich gewusst?" - das interessiert nicht nur die Opposition im sächsischen Landtag, die de Maizière als ersten Zeugen vor den Untersuchungsausschuss laden will. Auch in Berlin wird über die Rolle des korrekten Juristen gerätselt.

Jens Schneider

Es ist eine Wertschätzung, die den heutigen Chef des Bundeskanzleramts nicht unbedingt freuen dürfte. Thomas de Maizière werde bei der Aufklärung der Vorgänge des sogenannten sächsischen Sumpfes ihr wichtigster Zeuge im Untersuchungsausschuss sein, heißt es bei der Opposition in Dresden.

Noch ist dieser Ausschuss zwar nicht beschlossen, aber der frühere Innenminister wird schon als Schlüsselfigur gehandelt. Ihn werde man fragen: Was hat er wirklich gewusst - und wie früh? Und warum hat ausgerechnet er, der doch als ein so korrekter Jurist gilt, ja fast in Verfahrenstreue verliebt zu sein scheint, nicht die zuständigen Stellen informiert?

Was immer die sächsischen Parlamentarier über das Netzwerk aus Staatsanwälten, Rotlichtmilieu und Spekulanten - und de Maizières Wissen davon - erfahren, es wird nicht allein in Dresden interessieren. Es wird auch in Berlin auf große Aufmerksamkeit treffen.

Dort wird man jede neue Erkenntnis, jedes Papier und jede Notiz auf die Frage hin prüfen, ob er seine Rolle als Mann im Zentrum des Kanzleramtes weiter spielen kann. Eine Rolle, in der er immerhin die Geheimdienste koordiniert.

Der 53 Jahre alte, in Bonn geborene Sohn einer Hugenottenfamilie war nur kurze Zeit vom November 2004 bis zum Herbst 2005 Innenminister in Sachsen. Dann folgte er dem Ruf Angela Merkels ins Kanzleramt.

Sie hatte ihn in Wendezeiten als verlässlichen und unaufgeregten Berater seines Vetters Lothar kennengelernt. Der war im April 1990 zum letzten Ministerpräsidenten der DDR gewählt worden. Merkel hatte kurz vorher die Politik entdeckt und diente ihm als stellvertretende Regierungssprecherin.

Verbindlich und loyal

Vor dem Sprung ins Kanzleramt hatte Thomas de Maizière freilich trotz seiner kurzen Amtszeit im Dresdner Innenministerium deutliche Spuren hinterlassen. Das Ministerium war unter einem schwachen Vorgänger von zahlreichen Skandalen erschüttert worden. Der heutige Kanzleramtschef räumte auf und galt als starker Mann neben Ministerpräsident Georg Milbradt.

Schon vorher hatte er sich in verschiedenen Ministerämtern einen weitgehend tadellosen Ruf als stiller, uneitler Macher erworben - im Umgang oft spröde, aber letztlich verbindlich und loyal. Der einstige Regierungschef Kurt Biedenkopf hätte lieber ihn denn Milbradt als seinen Nachfolger gesehen.

Irritation und eine Rüge durch den Landesdatenschützer löste er als Innenminister aus, als er den maßlosen Einsatz eines Sondereinsatzkommandos ungewohnt schnoddrig verteidigte. Leidenschaftlich bemühte er sich um die Straffung der Polizeiverwaltung und eine Verwaltungsreform.

Es drängte den Vater von drei Kindern nicht aus Dresden weg. An Wochenenden führt sein Weg regelmäßig zur Familie an die Elbe.

Zum sächsischen Sumpf hat der Kanzleramtschef sich äußerst zurückhaltend eingelassen - mit jenem Gestus größter Gelassenheit, in dem er stets alle Aufgeregtheit und alles ,,Gequatsche'', das ihm so zuwider ist, vorüberziehen lassen will. Er habe mit der Affäre kein Problem.

Bis zum Herbst dürfte die Angelegenheit ihn begleiten. Dann hofft die Opposition in Dresden, ihn als einen der ersten Zeugen hören zu können.

© SZ vom 13.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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