DDR-Geschichte:Die überzeugte Unbelehrbare

Lesezeit: 2 min

Ihr Aufstieg war steil: von der gelernten Stenotypistin zur Volksbildungsministerin der DDR. Margot Honecker, Witwe des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, wird 80 Jahre alt.

Robert Probst

Alles begann mit einem Kuss. In vielen Geschichtsbüchern der DDR soll das Foto zu bewundern gewesen sein. 1948 überreichte die junge FDJ-Sekretärin Margot Feist dem SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck in Halle nach dessen Rede einen Blumenstrauß, umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Ließ wenig Raum für Spekulationen über ihre Überzeugung: Margot Honecker. (Foto: Foto: AP)

Pieck war offenbar beeindruckt. Wenig später holte er sie als Vorsitzende der neu gegründeten Pionierorganisation und als Sekretärin des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend (FDJ) nach Berlin. Dort lernte sie Erich Honecker kennen, ihren Chef - und künftigen Ehemann. Auch er war sofort fasziniert: von dem "hübschen Mädchen", aber auch von dessen "kommunistischer Basis". An diesem Dienstag wird die ehemalige DDR-Volksbildungsministerin 80 Jahre alt.

Den Geburtstag wird sie fernab ihrer früheren Heimat feiern, in einem Villenviertel von Santiago de Chile, wo sie seit 1992 zurückgezogen lebt. Nur selten hat sie sich seither zu ihrer Rolle in der DDR und zu ihrem Geschichtsbild geäußert, doch wenn sie es tat, ließ sie wenig Raum für Spekulationen.

In einem im Jahr 2000 erschienen Buch preist sie die DDR als Land "ohne Arbeitslosigkeit, ohne Mietwucher und ohne Obdachlosigkeit". Es habe dort "soziale Sicherheit, gerechte Löhne und freie, geheime und gleiche Wahlen" gegeben.

Orden vom eigenen Ehemann

Sogar die Qualifizierung als "Unbelehrbare" nehme sie für ihre Überzeugung hin, ließ sie einst mitteilen. Vielleicht bewegt sie ja immer noch die "revolutionäre Leidenschaft", für die sie ihr Mann 1987 mit dem Karl-Marx-Orden auszeichnete.

Der Aufstieg der gelernten Stenotypistin und Telefonistin verlief steil. 1953 heiratete sie den FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker, 1958 wurde sie Stellvertreterin des Volksbildungsministers, 1963 übernahm sie selbst das Amt und übte es bis 1989 mit orthodox-bürokratischem Eifer aus. Wissenschaftler waren ihr suspekt, ihr Streben richtete sich auf einen "von unserer Ideologie durchdrungenen, parteilichen Unterricht".

Verantwortlich für grausame Behandlung von Jugendlichen

Zahlreiche Schülergenerationen wurden auf diese Weise im Sinne des Arbeiter- und Bauernstaates mit Wehrunterricht und der Geringschätzung der Geisteswissenschaften indoktriniert. Verantwortung trug Margot Honecker dabei auch für die oft grausame Behandlung von Jugendlichen in Heimen für "Schwererziehbare" und für Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern wegen "Republikflucht" oder angeblicher Spionage in Haft saßen.

Margot Honecker galt als machtbewusst, unnachgiebig und unnahbar. Wie groß ihr Einfluss auf die Entscheidungen ihres Ehemannes, der seit 1976 Staatsratsvorsitzender war, wirklich gewesen ist, wurde nie geklärt. An seiner Seite war sie in der Öffentlichkeit kaum zu sehen. Nach ihrem Rücktritt während der Wende dankte ihr der DDR-Ministerrat am 2. November 1989 für ihre "langjährige und verantwortungsbewusste Arbeit".

© SZ vom 17.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: