Dauersitzung im Vermittlungsausschuss:Stoiber will der vorgezogenen Steuerreform zustimmen

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Aus dem engstem Umfeld des bayerischen Ministerpräsidenten heißt es, notfalls werde auch ein geteiltes Votum der Unionsländer in Kauf genommen. Die CSU geht davon aus, dass Baden-Württemberg und Thüringen mitziehen werden - so wäre die Mehrheit für den Plan von Kanzler Schröder gesichert.

Von Peter Fahrenholz, Robert Jacobi und Ulrich Schäfer

(SZ vom 11.12.2003) - CSU-Chef Stoiber ist den Informationen zufolge gewillt, das Vorziehen der letzten Steuerreformstufe von 2005 auf 2004 zu ermöglichen. Für Bürger und Betriebe würde dies eine Entlastung von 15,6 Milliarden Euro bedeuten.

Die Forderung, höchstens 25 Prozent der Steuerausfälle über neue Schulden zu finanzieren, hat Stoiber, wie er Parteifreunden anvertraute, bereits aufgegeben. Um die vorgezogene Steuerreform im unionsdominierten Bundesrat durchzusetzen, bräuchte Kanzler Schröder aber nicht nur die Stimmen Bayerns. Stoiber hat deshalb nach Angaben aus seinem Umfeld bereits Kontakt mit den CDU-Kollegen Erwin Teufel aus Baden-Württemberg und Dieter Althaus aus Thüringen aufgenommen.

Er würde sogar eine Spaltung der Union bei der Abstimmung im Bundesrat in Kauf nehmen. Zusammen mit den Stimmen der von SPD und Grünen regierten Länder wäre eine Mehrheit für die Reform gesichert, wenn die drei Unionsländer zustimmten.

"Gutes Gesprächsklima"

Der Vermittlungsausschuss wollte erst am späten Mittwochabend über die Steuerreform verhandeln. Zunächst standen die Reformen am Arbeitsmarkt auf der Tagesordnung. Vorerst gab es in der Sache keine Annäherung. Henning Scherf, Bremer Bürgermeister und Vorsitzender des Ausschusses, sprach aber von einem "guten Klima".

Die Sitzung sollte am Donnerstagnachmittag fortgesetzt werden, möglicherweise auch am Freitag und am Samstag. Vereinbart haben die Unterhändler beider Seiten wiederum Sitzungstermine am Sonntag und am Montag. Erst dann könne es eine Einigung über das gesamte Paket geben, sagte Scherf. Alle Kompromisse stünden bis dahin "unter starkem Vorbehalt". Ob und wann es zu einem Spitzentreffen der Parteichefs kommt, blieb unklar.

Wegen der Probleme bei der Finanzierung und der Organisation lässt sich eines der wichtigsten Kapitel aus der Reformagenda, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, im nächsten Jahr noch nicht umsetzen.Als frühester Termin gilt inzwischen der Jahresbeginn 2005. Regierungsvertreter räumten ein, dass auch die Reform der Gewerbesteuer verschoben werden müsse.

Voraussichtlich werde sich der Vermittlungsausschuss nur auf ein Sofortprogramm verständigen, das die Finanznot der Städte und Gemeinden 2004 zumindest etwas mildern würde. Einen Vorschlag der Regierung die Gemeindefinanzen und den Arbeitsmarkt zu verbinden, lehnte die Union ab. "Das eine muss vom anderen getrennt werden", sagte Verhandlungsführer Volker Kauder (CDU).

Nicht näher gekommen sind sich beide Seiten zunächst im Streit um die Betreuung der zwei Millionen Langzeitarbeitslosen. Die Regierungsparteien bestehen darauf, dass der Bund sich federführend um diese Klientel kümmern soll. Die Union will die Aufgabe den Städten und Landkreisen zuweisen, möglicherweise in Zusammenarbeit mit den Ländern.

Mehr Privatisierungen

Strittig ist zudem, wie die Ersparnisse infolge der Kürzung der Arbeitslosenhilfe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt werden. Die Regierungsseite unterbreitete einen Vorschlag, den die Gegenseite ablehnte: Weil der Bund für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger zuständig wäre, würden die Kommunen um 11,6 Milliarden Euro entlastet.

Im Gegenzug sollen sie die Unterkunftskosten für die Empfänger des Arbeitslosengeldes II übernehmen, rund neun Milliarden Euro. Weil diese Lösung die ostdeutschen Bundesländer benachteiligt, soll es einen Ausgleich über die Umsatzsteuer geben, die sich Bund und Länder teilen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) legte ein Gegenkonzept vor, das um mehr zwei Milliarden Euro billiger sein soll.

Über die Steuerreform sollte laut Scherf am Abend in einem "ersten Durchgang" gesprochen werden. Die Forderung der Union, das Vorziehen nur zu 25 Prozent über neue Schulden zu finanzieren, sei "Heuchelei in Potenz", sagte die Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks (SPD).

Zugleich wolle die Union bei Subventionen wie der Eigenheimzulage nur minimal kürzen. Die Regierung deutete an, dass eine stärkere Finanzierung mit Erlösen aus Privatisierungen möglich sei. Als Hinweis darauf wurde gewertet, dass die staatliche Förderbank KfW Aktien der Post im Wert von rund zwei Milliarden Euro verkaufte.

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