CSU contra CDU:Nervende Freunde aus Bayern

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"Solidarität hat ihre Grenzen": Gesundheitsfonds, Familienpolitik, Vertriebene - die CSU gibt alte Positionen auf, um sich von der CDU absetzen zu können.

Stefan Braun und Kassian Stroh

In der CSU sind Epochen manchmal recht kurz. Drei Wochen ist es her, dass Parteichef Horst Seehofer eine "Epoche der Gemeinsamkeit" mit der CDU ausrief. Am Montag jedoch ließ Peter Ramsauer, der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, wissen, man werde sich im Wahljahr auch von der Schwesterpartei deutlich abgrenzen: "Wir werden uns in solchen Fragen nicht mehr zurückhalten", drohte er in der aktuellen Debatte über Profil und Ausrichtung der Union. "Wir wissen genau, welche Hoffnungen beim konservativen Kern der CDU auf der CSU ruhen."

Will einen härteren Kurs gegen Kanzlerin Angela Merkel und die CDU fahren: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: Foto:)

Nun hat Gesundheitspolitik nicht unbedingt etwas mit konservativem Profil zu tun. Trotzdem will sich die CSU gerade auf diesem Feld, auf dem sich der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) als Speerspitze versteht, besonders abgrenzen. Söder will nicht nur die Honorarreform für die niedergelassenen Ärzte stoppen, die in Bayern massive Medizinerproteste hervorgerufen hat.

Obwohl die CSU die Reform einst mittrug, will Söder - mit Seehofers Rückendeckung - noch weiter gehen und eines der zentralen Reformprojekte der Berliner Koalition stoppen, den Gesundheitsfonds: "Die Idee des Fonds' führt ins Nirwana von Zentralismus und Umverteilung." Dass dessen Abschaffung ein zentraler Punkt im Wahlkampf werden soll, wurde in der CSU-Spitze schon länger debattiert. Nur wann und wie scharf dies gefordert werden solle, war noch unklar.

Seit vergangener Woche hat Seehofer seinem Minister nun alle Freiheiten gelassen. Er wolle ein "Bayern-Modell" für das Gesundheitssystem entwickeln, sagte Söder der Süddeutschen Zeitung. Leitlinie sei: "Bayerische Patienten und bayerische Ärzte zuerst - Solidarität hat ihre Grenzen."

So füllen die Protagonisten der CSU mit Leben, was Seehofer beim politischen Aschermittwoch als Parole ausgegeben hat. Es sei ihm egal, ob er in Berlin als Querulant, Quälgeist oder Quertreiber angesehen werde, sagte er da. Entscheidend sei, was er für Bayern erreiche. Den CSU-Chef treibt die Angst vor einem Debakel bei der Europa- und der Bundestagswahl in diesem Jahr um; an beide hat er sein politisches Schicksal geknüpft.

Die Kehrtwende wird zum Prinzip

Dass er für die Profilierung die CSU in die EU-Wahl mit einem eigenen Programm marschieren lässt, ist nichts Besonderes - das tat sie auch 1999 und 2004. Bemerkenswerter sind manche Forderungen, die die CSU erhebt: die nach Volksabstimmungen über Europaverträge und künftige EU-Erweiterungen beispielsweise. Für die CDU und Angela Merkel, die der Idee höchst skeptisch gegenübersteht, ist das eine Provokation. Seehofer kümmert es nicht.

So wie er es auch nicht weiter beachtet, dass die CSU mit ihrem Abgrenzungskurs immer wieder alte Positionen räumt. Den Gesundheitsfonds hatte sie vor drei Jahren selbst ausgehandelt und unterschrieben, allen voran Seehofer als faktischer Verhandlungsführer und Söder als CSU-Generalsekretär.

Und als vor einem Jahr die damalige CSU-Doppelspitze aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein über einen möglichen Ausstieg aus dem Gesundheitsfonds nachdachte, war es ausgerechnet Seehofer, der im Verein mit Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber das Vorhaben intern zu Fall brachte. Er rate "dringend, die getroffenen politischen Entscheidungen einzuhalten", mahnte er damals.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die CDU-Spitze über Seehofer denkt.

Nun wird die Kehrtwende zum Prinzip. Auf ähnliche Weise rückte die CSU von dem ausgehandelten Kompromiss bei der Erbschaftsteuer ab und kämpfte für Steuersenkungen und die Wiedereinführung der Pendlerpauschale, die sie mit abgeschafft hatte. Dass die CDU sie bei dem Thema im bayerischen Wahlkampf hängen ließ, ist der tiefere Grund dafür, dass die CSU kaum Skrupel hat, sich nun gegen die CDU und Merkel zu stellen. In der offiziellen Wahlanalyse der CSU wird die Kanzlerin explizit als Mitverantwortliche für die CSU-Pleite bei der Landtagswahl genannt.

Auch in der Familienpolitik hat sich die CSU von alten Positionen verabschiedet: So will sie die Zahl der sogenannten Vätermonate beim Elterngeld auf vier verdoppeln. "Das liegt in der Logik und in der familienpolitischen Philosophie der CSU-Landesgruppe", sagt Ramsauer, der die Einführung der Vätermonate einst als "Wickelvolontariat" verspottete.

Oder der Kampf gegen das EU-Verbot für Glühbirnen: Die CSU schert es nicht, dass es maßgeblich vom CSU-geführten Bundeswirtschaftsministerium vorangetrieben wurde, das noch im Januar die FDP schriftlich wissen ließ, man stehe uneingeschränkt zum Glühbirnenverbot, weil damit "energieeffizientere und umweltfreundliche Lampentechnologien gefördert" würden.

"Mit verantwortungsbewusster Politik hat das nicht mehr viel zu tun"

Wie wenig ernst Seehofer sein Versprechen an Merkel nimmt, Geschlossenheit zu demonstrieren, zeigt auch der Fall Erika Steinbach, die der Bund der Vertriebenen bis zu Steinbachs Verzicht für den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibungen nominiert hatte. In der CSU, die sich besonders als Anwältin der Vertriebenen versteht, werfen Merkel viele vor, Steinbach angesichts der Proteste aus Polen im Stich gelassen zu haben.

Wer dies vor einigen Wochen öffentlich sagte, der wurde, so ist aus der CSU zu hören, von Seehofer gerüffelt - schließlich habe er mit Merkel Ruhe vereinbart. Dann aber wurde deutlich, wie sehr die eigene Wählerklientel die Kritik an Merkel goutierte. Seehofer schwenkte um, ließ erst seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt für Steinbach öffentlich Partei ergreifen, tat dies anschließend selbst und teilte mit, Steinbach bald den Bayerischen Verdienstorden zu überreichen.

In der CDU-Spitze möchte man zu all dem am liebsten nichts mehr sagen. Zu groß war die Hoffnung, Seehofer würde nach Wochen des Egoismus wieder zum Partner werden, zu groß ist der Ärger, dass er weitermacht wie bisher. Den Hauptvorwurf der CDU-Spitze formuliert ein Mitglied des Parteipräsidiums: "Seehofer gibt mit seinem Blick auf alle möglichen Stimmungen in der Bevölkerung jeden gestalterischen Anspruch auf." Jammerten in Bayern die Ärzte, werfe er sich an ihre Seite, schimpften die Landwirte, sei das genauso. Mit verantwortungsbewusster Politik habe das nicht mehr viel zu tun.

Es versteht sich von selbst, dass Seehofer das ganz anders sieht. Wie sagte er in Passau: Populismus sei für ihn kein Vorwurf, sondern eine Auszeichnung.

© SZ vom 10.03.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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