Chinas Militärstrategie:Riffe mit Flugpiste

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Es gibt es kein anderes Seegebiet der Welt, wo sich nationale Rivalitäten so stark aufschaukeln wie in Südostasien. Es besteht die Gefahr eines ungebremsten asiatischen Rüstungswettlaufs. China öffnet sich nur zögerlich für Gespräche.

Von Arne Perras

Eine neue Form des Flugzeugträgers macht von sich reden. Nicht dass er über alle Meere kreuzen könnte wie die herkömmlichen Giganten zur See. Die jüngste Kreation ist das Werk chinesischer Militärstrategen, sie lassen im Meer Riffe mit Sand aufschütten und bauen einfach eine Flugpiste obendrauf. Fertig ist der neue Stützpunkt. Alle staunen, aber den Nachbarn macht das auch Angst.

Zu beobachten war die Bauwut zuletzt in den Gewässern des Südchinesischen Meeres. Abgesehen von den Inselstreitigkeiten zwischen Japan und China gibt es kein anderes Seegebiet der Welt, wo sich nationale Rivalitäten so stark aufschaukeln wie in Südostasien. Gleichzeitig herrscht unter den kleineren asiatischen Staaten wenig Zuversicht, den Streit um Riffe und Inseln mit China durch Verhandlungen lösen zu können. Peking beansprucht fast 90 Prozent des Seegebiets für sich, was zur Schreckstarre bei den meisten Nachbarn führt. Nur die Philippinen und Vietnam protestieren laut. Auf diplomatischem Wege scheint kaum Ausgleich möglich, was auch das jüngste Treffen der Asean-Länder Anfang des Monats zeigte. Lösung ist nicht in Sicht.

Stattdessen peitschen die Streitigkeiten Ängste auf in einer Region, die bislang durch wirtschaftliche Dynamik und recht stabile politische Verhältnisse glänzte. Zuversicht mischt sich nun auch mit Zweifeln an der Stabilität. Wo Gespräche kaum etwas voranbringen oder erst gar nicht stattfinden, kriecht Misstrauen in die Köpfe.

Das hat Folgen, zum Beispiel für die Militärbudgets: Schon jetzt ist eine rasante Aufrüstung im Gange. Die Länder können sich das leisten. Große wie kleine kaufen fleißig Kriegsgerät, bis 2016 ist damit zu rechnen, dass Südostasiens Staaten 40 Milliarden US-Dollar für Verteidigung ausgeben werden. Seit 1992 haben die Länder ihre Rüstungsinvestitionen schon mehr als verdoppelt.

Die Gefahr eines ungebremsten asiatischen Rüstungswettlaufs

Der Inselstreit erhöht die Gefahr eines ungebremsten asiatischen Rüstungswettlaufes. Die Vereinigten Staaten liegen immer noch weit vorne, seit dem Zweiten Weltkrieg verstehen sich die Amerikaner als Garant der pazifischen Ordnung, das US-Verteidigungsbudget hatte einen Umfang von knapp 527 Milliarden US-Dollar im fiskalischen Jahr 2014. Die Chinesen geben bislang nur etwa ein Viertel davon für militärische Zwecke aus, doch die Aufholjagd ist in vollem Gange, Pekings Militärhaushalte steigen in einem Tempo, dass es den Nachbarn Angst und Bange wird.

Sich zu wappnen gegen drohende äußere Gefahren, ist für jeden Staat legitim. Doch in der Summe erwächst aus dem neuen Primat des Militärischen, der sich in Asien abzeichnet, ein schwer kalkulierbares Sicherheitsrisiko. Wenn es künftig zu einem Zwischenfall im Südchinesischen Meer kommen sollte, wird es kaum bei den bekannten waghalsigen Drohgebärden eines Kriegsschiffes gegen ein paar Fischer eines Nachbarlandes bleiben. Paart sich militärische Stärke mit wachsendem Nationalismus, wie er in vielen Staaten der Region zu beobachten ist, ergibt das eine explosive Mischung.

Beunruhigen muss das auch solche Länder, die weit weg liegen. Denn die gesamte Weltwirtschaft hängt mehr oder weniger vom asiatischen Aufschwung ab. Weil ein großer Teil des Welthandels über Schifffahrtsrouten im Südchinesischen Meer abgewickelt wird, ist Ruhe in den Gewässern essenziell, um den Weltfrieden zu wahren. Weil das Säbelrasseln jetzt aber schon merklich zunimmt, bräuchten Asiens Staaten zumindest Regeln, wie sie im Falle eines Zwischenfalls größere Auseinandersetzungen vermeiden können. Daran immerhin arbeiten sie. Die Zeit dafür drängt. Doch die Diplomatie ist zäh, weil China sich nur zögerlich für Gespräche öffnet und weil die kleineren Nachbarn es nicht schaffen, mit einer Stimme zu sprechen.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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