CDU und CSU:Die Schwestern wollen sich wieder lieb haben

Lesezeit: 3 min

CDU und CSU auf dem Weg zurück zu einer gemeinsamen Linie: Kanzlerin Angela Merkel kommt zum Treffen der Partei-Spitzen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Spitzen von CDU und CSU stellen ihren Flüchtlingsstreit hintan. Stattdessen rücken sie die innere und die soziale Sicherheit in den Fokus.

Von Robert Roßmann und Wolfgang Wittl, Berlin

Es erstaunt immer wieder, wie schnell das Wetter in der Hauptstadt umschlagen kann. Monatelang hat das politische Berlin über den Streit in der Union gesprochen, der Niedergang der Sozialdemokraten geriet darob ziemlich in den Hintergrund. Doch dann veränderte die 21-Prozent-Prognose für die Bundes-SPD die Großwetterlage mit einer Geschwindigkeit, wie man sie ansonsten nur im Gebirge erlebt. Mit einem Schlag begannen alle über das Elend der Sozialdemokratie zu sprechen - der Flüchtlingsstreit der Union ist fast vollständig aus den Schlagzeilen verschwunden.

Das liegt zum einen an den beinahe im Gleichschritt fallenden Zahlen der SPD-Wähler und der Flüchtlinge. Zum anderen scheint es der Union aber gerade zu gelingen, ihren Streit in friedliche Bahnen zu lenken. Bereits die Begegnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit CSU-Chef Horst Seehofer am vergangenen Mittwoch verlief angesichts der Vorgeschichte erstaunlich konstruktiv. Das Treffen der Unionsspitzen am Sonntagabend soll jetzt - glaubt man den Teilnehmern - fast schon ein Wellness-Termin gewesen sein.

Sechs Stunden lang saßen Merkel und Seehofer mit ihren Generalsekretären Peter Tauber und Andreas Scheuer, Unionsfraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt im Kanzleramt zusammen. Erst nachts um halb eins löste sich die Runde auf. Normalerweise ist die Dauer derartiger Sitzungen ein Indikator für die Größe der Differenzen. Doch diesmal lag die Länge nur an der Fülle der Themen, über die man inzwischen wieder vernünftig zu sprechen in der Lage ist.

Die Runde - zu der auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble geladen wurden - hielt sich nicht lange mit dem Streit über die richtige Linie in der Flüchtlingspolitik auf. "In unserer Lage kommt man nicht über den Kampf zurück ins Spiel, sondern über neue Themen", sagte am Morgen danach einer aus der CSU. Das soll heißen: Den Streit über Obergrenzen will man hintanstellen. Stattdessen berieten die Spitzen von CDU und CSU über ein ganzes Potpourri an Themen, mit denen man hofft, gemeinsam beim Wähler reüssieren zu können.

Lange und intensiv redete die Runde über die innere Sicherheit und die Integration der Flüchtlinge. CSU-Generalsekretär Scheuer sprach sogar schon von einem Asylpaket 3, das man jetzt verabschieden wolle. Diesen Namen will die CDU-Seite vermeiden, weil er allergische Reaktionen beim Koalitionspartner SPD auslösen könnte. Doch im Inhalt sind sich die beiden Unionsschwestern diesmal einig: stärkere Integrationspflichten für Flüchtlinge und ein deutlicherer Fokus auf die innere Sicherheit.

Die Runde sprach aber auch über so unterschiedliche Themen wie das Bundesteilhabegesetz, die Windkraft, die Autobahngesellschaft oder die Elektromobilität - hier könnte sich die Union schon bald auf eine Kaufprämie für Elektroautos verständigen. Bei den lange umstrittenen Themen Werkverträge und Leiharbeit hofft die Union jetzt, bis zum Koalitionsausschuss mit der SPD an diesem Mittwoch eine Einigung zu erzielen. Bei der Art der Neuregelung der Erbschaftsteuer und der Bund-Länder-Finanzen gab es aber noch keine Annäherung zwischen Schäuble und Seehofer.

Der CSU-Chef will im Wahlkampf auch auf das Thema Rente setzen. Hier gibt es einen Dissens zur CDU

Trotzdem gingen die Teilnehmer relativ frohgemut nach Hause. Die Gespräche seien "sehr sachorientiert" gewesen, sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung am Montag. Das Treffen sei "das Aufstoßen der Türe in eine bessere Zukunft" gewesen. Voraussetzung dafür, dass dies gelinge, sei aber, "dass wir es so machen wie jetzt vereinbart", und "dass die Problematik der Sicherheit weiterhin so ernst genommen wird wie gestern erlebt".

Um all das zu erreichen, soll es auch bessere Absprachen geben. Dazu wird der Kontakt zwischen Altmaier und der Amtschefin von Seehofers Staatskanzlei, Karolina Gernbauer, verbessert. Bereits am Montag reiste Altmaier nach München, um sein bayerisches Gegenüber zu besuchen.

Bei einer zweitägigen Klausur Ende Juni wollen die Spitzen von CDU und CSU die neue Nähe weiter pflegen. Dabei soll vor allem über die Agenda für das Wahljahr 2017 gesprochen werden. Es gehe darum, Antworten auf die Befindlichkeiten und Sorgen der Menschen sowie auf die internationalen Herausforderungen zu finden, sagte Seehofer. Der CSU-Chef will im Wahlkampf auch auf das Thema Rente setzen, die Riester-Rente hat er bereits für gescheitert erklärt und dabei vor einem weiteren Absenken des Niveaus der gesetzlichen Rente gewarnt. Hier gibt es allerdings einen Dissens zur CDU. Die will sich lieber mit der Frage beschäftigen, was jetzt getan werden muss, damit die Rente kein Wahlkampfthema wird. In der CDU herrscht die Sorge, dass es 2017 zu stark um teure Leistungsausweitungen gehen könnte. Auch den Christdemokraten seien die Themen soziale und innere Sicherheit "besonders wichtig", sagte Generalsekretär Tauber. Dafür brauche es aber "Innovation und Wachstum".

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: