CDU Hessen:Aufstand gegen Koch - mit Thomas Mann

Lesezeit: 2 min

Es brodelt in der Hessen-CDU des Roland Koch: Der Parteitag will für Europa eine andere Nummer eins als die Parteiführung.

Dichtes Gedränge auf den Fluren der Marburger Stadthalle. Delegierte der hessischen CDU stecken am Samstag die Köpfe dicht beisammen, man hört den Namen "Thomas Mann".

Da half auch seine Rede nichts mehr- die hessische CDU-Basis hat sich gegen Roland Kochs Wunschkandidaten Clemens Reif entschieden - und stattdessen Thomas Mann zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt. (Foto: Foto: ddp)

Im Saal bemüht sich Sitzungsleiter Hartmut Nassauer vergeblich, die Teilnehmer des 102. CDU-Parteitages zur Ordnung zu rufen - und nicht einmal der Verweis auf die doch bald beginnenden Bundesliga-Spiele hilft.

Die hessische CDU-Basis hat die Lust am Diskutieren entdeckt. Sie probt den Aufstand. Das eindeutige Signal: Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen.

In den vergangenen Jahren hatte sich die Hessen-CDU stets als Bollwerk präsentiert -nun kommt es in Marburg erstmals seit langer Zeit zu Kampfkandidaturen und einem Aufstand: Da hatte der Wahlvorbereitungsausschuss so schön eine Liste für die Europawahl vorgeschlagen - und die Basis hält sich nicht daran.

Statt des von der Landesspitze um Ministerpräsident Roland Koch unterstützten Landtagsabgeordneten Clemens Reif wählen die rund 320 Delegierten den Europaparlamentarier Thomas Mann zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im Juni.

Da helfen auch alle Appelle von Ministern wie Jürgen Banzer nichts - und die Rede von Ministerpräsident Koch, dem angeschlagenen Chef der Hessen-CDU. Der Konservative hatte darin eindringlich an die Partei appelliert, ihr "kostbares Gut" der Geschlossenheit und Schlagkraft zu verteidigen. Das Ergebnis der Landtagswahl im Januar sei nicht so ausgefallen wie erwartet, die Koalitionsverhandlungen mit der FDP seien "nicht einfach" gewesen, räumte Koch ein.

Wer die absolute Mehrheit verliere, so der Ministerpräsident, müsse "abgeben", das habe "in der personellen Struktur Opfer und Wunden abverlangt". Auch habe sich die CDU auf den Weg zu Veränderungen gerade in der Bildungs- und Umweltpolitik gemacht, das sei "nicht in einem Jahr wie ein Hebel am Elektromotor umzustellen". Dazu komme eine Identitätskrise am Ende der großen Koalition.

In dieser Situation dürfe die CDU nicht den Eindruck mangelnder Geschlossenheit vermitteln, mahnte Koch. Die Bürger erwarteten "Klarheit und Führung". Die CDU müsse der Garant dafür sein, dass der Staat nicht Unternehmer werde, "wir sind nicht der Ersatzhafen für Unternehmerversagen". Zugleich dürfe aber auch nicht der Eindruck entstehen, das Schicksal von 30.000 Arbeitnehmern in einer Region sei egal.

Die Bundestagswahl, so Koch, sei dann zu gewinnen, wenn sich die CDU "nicht in Deckung begibt", sondern offensiv sage: "Wir wollen Deutschland führen, und wir können Deutschland führen."

Den Parteitag forderte Koch auf, die "Balance" zu finden zwischen offener Diskussion und einem Zeichen von Geschlossenheit. Wie das geschehen solle, "kann ich Ihnen auch nicht beschreiben", sagte er weiter. Dazu müsse er "befehlen, und Sie gehorchen" - und deshalb sagte er, "ich bitte Sie herzlich" - und warb für ein gutes Ergebnis für seinen neuen Generalsekretär Peter Beuth.

Der Parteitag folgte seinem Landeschef zum ersten Mal nicht vollständig. Zwar bescherten die Delegierten dem neuen "General" Beuth mit 93,1 Prozent ein gutes Ergebnis, doch bei der Europawahlliste stellten sie sich offen gegen die Parteiführung.

Die geplante Rückstufung des Europa-Parlamentariers Mann sei "ungerecht und ungerechtfertigt", kritisierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Gerald Weiß: "Wer einen guten Job gemacht hat, dem darf man nicht den Stuhl vor die Tür stellen." Die Parlamentarier sahen das genauso und hoben Mann mit 235 gegen 82 Stimmen auf Platz eins.

Sieger Mann sagte danach, er sei "total happy". Er habe "nicht im Traum" mit einem solch großen Vorsprung gerechnet, aber offenbar mit seinen Kompetenzen punkten können. Auch auf Platz drei der Europaliste wählten die Delegierten statt des Listenvorschlags Jutta Rüddenklau (83 Stimmen) mit 233 Stimmen die Ex-Innenstaatssekretärin Oda Scheibelhuber, die zuvor nicht berücksichtigt worden war.

Das war eine deutliche Abrechung mit Roland Koch.

© sueddeutsche.de/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: