CDU-Fraktionsvize:"Wir brauchen Spielregeln"

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Michael Fuchs, 66, ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In deren Vorstand ist er für die Wirtschaftspolitik zuständig (Foto: Karlheinz Schindler/dpa)

CDU-Politiker Michael Fuchs will Streiks von GDL und Cockpit eindämmen.

Interview von Detlef Esslinger

Vier Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels haben vergangene Woche ihrer Fraktionsführung ein Papier geschickt. Darin fordern sie, das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit noch zu verschärfen. Sie zielen vor allem auf Berufsgewerkschaften wie GDL und Cockpit, die ohnehin Anlass des Gesetzes sind.

SZ: Die Lokführer wollen erneut streiken. Kommt das Ihren Plänen zupass?

Michael Fuchs: Es unterstreicht den Handlungsbedarf. Ich habe zwar nichts gegen Streiks, und das Streikrecht darf auch nicht generell eingeschränkt werden. Aber wir brauchen besondere Spielregeln für Arbeitskämpfe, in denen Dritte stark betroffen sind. Ich sehe keinen Handlungsbedarf, wenn ein Supermarkt bestreikt wird. Dann gehe ich als Kunde eben in den nächsten. Oder eine Apotheke. Auch da kann ich ausweichen. Aber bei der Bahn ist das nur sehr eingeschränkt möglich. Viele Menschen müssen reisen. Umso wichtiger ist ein Vorlauf, um Alternativen zu finden.

Die GDL hat doch einen Vorlauf von jeweils 24 Stunden versprochen.

24 Stunden sind viel zu wenig. Ich bitte Sie. Das gilt für den Bahn-, aber auch für den Flugverkehr. Allein der Flug von Hongkong dauert zwölf Stunden. Wie wollen Sie umdisponieren bei solch kurzem Vorlauf?

Aus alldem folgt, dass Sie den Streik bei der Postbank hingegen okay finden?

Das ist so lange kein Problem, wie eine hinreichende Versorgung im Zahlungsverkehr und mit Bargeld gewährleistet ist. Beides ist beim Postbank-Streik kein Problem. Sie können Ihr Geld ja auch bei einer anderen Bank abheben. Das ist eben genau der Unterschied zu den Streiks bei Bahn und Luftverkehr. Da kann man eben nicht so einfach ausweichen. Deswegen zielt unsere Initiative auf den Bereich der Daseinsvorsorge ab: neben dem Bahn- und Luftverkehr insbesondere auf die Versorgung mit Energie und Wasser oder die medizinische Versorgung. Auch bei der Kinderbetreuung kann nicht bei jedem die Oma einspringen, wenn die Kita streikt. Und auch die Telekommunikation ist wirklich neuralgisch.

Aber nun wollen Sie ein Zwei-Klassen-Streikrecht einführen.

Es ist eben auch verfassungsrechtlich ein Unterschied, ob zwei Tarifparteien einen Arbeitskampf miteinander ausfechten, von dem andere kaum berührt sind; oder ob Dritte in Haftung genommen und in ihren Grundrechten beeinträchtigt werden. Bevor ich Politiker war, habe ich ein Importunternehmen geleitet. Kleinelektronik, Werbeartikel. Wir haben per Luftfracht importiert - weil wir die Ware dringend brauchten. Oder ein Autohersteller, der Kabelbäume aus Taiwan importiert. Wenn dann auf einmal die Piloten streiken, steht ganz schnell eine Fabrik mit Tausenden Beschäftigten still. Gäbe es eine Vorlaufzeit von vier Tagen, könnte ich als Importeur noch die Airline wechseln. So aber liegt die Ware im Sicherheitslager am Flughafen, weil sie schon auf Sprengstoff gecheckt wurde, und ich komme nicht mehr ran.

Das Besondere an Ihrer Forderung ist auch, dass Sie die Einschränkungen des Streikrechts ausdrücklich im Gesetzestext erwähnen wollen. Bisher steht das nur in der Gesetzesbegründung.

Ja, man sollte das nicht in der Begründung verstecken. Das gehört zur Ehrlichkeit.

Damit machen Sie es der SPD aber noch schwerer, ein solches Gesetz mitzutragen.

Erstens sehe ich es nicht als meine Hauptaufgabe an, es der SPD leicht zu machen. Zweitens sollten wir uns nichts vormachen: Alle Experten - auch die beim Bundesverfassungsgericht - sind in der Lage, den Gesetzestext und die Begründung zu lesen. Da können Sie sowieso nichts verstecken. Dann ist es nur sauber, die zentralen Aussagen eines Gesetzes auch in die Regelung selbst zu schreiben.

In Wahrheit ist Deutschland ein Land mit sehr wenigen Streiks. Machen Sie das Problem nicht größer, als es ist?

Mit den Piloten- und Lokführerstreiks wird eine Tendenz deutlich. Da liegt das Problem. Ich kann nur sagen, wehret den Anfängen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Wenn es erst einmal eine besondere Streikanfälligkeit gibt, lässt sich das Rad kaum zurückdrehen. Noch einmal: Wenn eine Gewerkschaft bei Daimler zum Streik aufruft, stirbt niemand daran, wenn er seinen Mercedes eine Woche später bekommt. Aber wenn eine Fabrik stillgelegt wird, weil die Kabelbäume fehlen - das geht nicht.

Das Gesetz zur Tarifeinheit ist verfassungsrechtlich schon umstritten genug. Ihr Vorschlag macht es noch heikler.

Das sehe ich anders: Für die Daseinsvorsorge gibt es wegen der Breitenwirkung und der massiv betroffenen Grundrechte Unbeteiligter gute Gründe für klare Spielregeln. Ich bin zuversichtlich, dass die Verfassungsrichter dafür Verständnis zeigen werden.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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