Camps:Ausgegrenzt

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(Foto: sz)

In Jordanien und Libanon sehen Flüchtlinge kaum noch eine Perspektive. Das liegt auch daran, dass den UN das Geld für Lebensmittel ausgeht. Derzeit bekommt ein Flüchtling nur noch 50 Cent Essensgeld am Tag.

Von Lea Frehse, München

Kein Land hat gemessen an der Bevölkerungszahl so viele Syrien-Flüchtlinge aufgenommen wie Libanon und Jordanien. Seit Jahresbeginn aber machen es die beiden Länder den Schutzsuchenden deutlich schwerer, über die Grenzen zu gelangen. Aufwendige Kontrollen und teils hohe Kosten haben dazu geführt, dass inzwischen Tausende Syrer tagelang warten müssen, um aus dem Kriegsgebiet zu entkommen.

Gleichzeitig verlassen immer mehr Syrer die Aufnahmeländer. So stellte die syrische Botschaft in der jordanischen Hauptstadt Amman allein im August mehr als 10 000 Reisedokumente aus - für Syrer die Voraussetzung, ohne Visum in die Türkei weiterzureisen, um von dort nach Europa zu gelangen. Auch gehen nach UN-Informationen erstmals vermehrt Flüchtlinge nach Syrien zurück. "Wir sehen das als dramatisches Warnsignal", erklärt Arianne Rummery, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerkes. "Offensichtlich können sich einige Flüchtlinge in den Aufnahmeländern nicht mehr ausreichend versorgen." Bereits 1,3 Millionen syrische Flüchtlinge erhalten Lebensmittelrationen des Welternährungsprogramms WFP. Seit diese aufgrund mangelnder Finanzierung zuletzt um drei Viertel gekürzt wurden, erhält jeder Flüchtling umgerechnet weniger als 50 Cent täglich für Essen. Für Tausende Familien bedeutet dies Hunger.

Menschenrechtler jedoch bezweifeln, dass eine bessere Grundversorgung allein die Not der Flüchtlinge langfristig lindern kann. "Neben Spenden brauchen die Flüchtlinge auch den rechtlichen Schutz, der ihnen zusteht", erklärt George Ghali von der unabhängigen libanesischen Menschenrechtsgruppe Alef. Bislang genießen die wenigsten Syrer in den Nachbarstaaten den Status von Flüchtlingen im Sinne internationaler Konventionen. Der nämlich sieht auch vor, dass Flüchtlinge legal arbeiten dürfen.

In Libanon gelten geflüchtete Syrer lediglich als "Vertriebene". Sie müssen einen Aufenthaltstitel beantragen, um ins Land zu gelangen und diesen regelmäßig gegen Gebühren von mehreren Hundert Euro verlängern. Wer keine gültigen Papiere besitzt, kann jederzeit abgeschoben werden. Doch selbst Syrer mit Aufenthaltstiteln dürfen in Libanon lediglich in gering qualifizierten Berufen arbeiten. Viele tun dies deshalb illegal - und sind der Ausbeutung ausgeliefert.

In Jordanien werden registrierte Flüchtlinge zwar als solche anerkannt. Doch um legal im Land zu arbeiten, benötigen auch registrierte Flüchtlinge eine gesonderte Arbeitserlaubnis. Die kostet jährlich umgerechnet bis zu 500 Euro. Mindestens ein Fünftel der Syrer arbeitet deshalb illegal.

Bislang schrecken die Regierungen davor zurück, den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge zu öffnen. Sie fürchten auch den wachsenden Unmut in der eigenen Bevölkerung: Zwar engagieren sich weiter viele Bürger für die Geflüchteten. Doch werden Stimmen lauter, welche die Flüchtlinge für überlastete Schulen und Krankenhäuser sowie steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich machen. Experten fordern die internationale Gemeinschaft deshalb auf, in die langfristige Wirtschaftsförderung der Region zu investieren. "Es müssen insgesamt mehr Jobs geschaffen werden, die Syrern wie Einheimischen offen stehen", sagt Maha Kattaa von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). "Nur so kann der gesellschaftliche Zusammenhalt auf Dauer gewahrt werden."

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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