Wehrbeauftragter :Vom Panzer bis zum Poncho

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Der neue Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels beklagt massive Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr.

Interview von Christoph Hickmann

Seit knapp drei Monaten ist Hans-Peter Bartels Wehrbeauftragter, der Sozialdemokrat folgte auf den Liberalen Hellmut Königshaus. Seither widmet sich Bartels, 54, vor allem dem Thema Materialmangel.

SZ: Herr Bartels, welches Bild haben Sie während Ihrer ersten Wochen im Amt von der Bundeswehr gewonnen?

Hans-Peter Bartels: Sie ist mir ja nicht fremd, als Mitglied des Verteidigungsausschusses habe ich mich viele Jahre mit ihr beschäftigt. Trotzdem führen mir jetzt zum Beispiel Truppenbesuche bei unseren Kräften für die Nato-Eingreiftruppe noch einmal deutlich vor Augen, wie prekär es um die Ausrüstung der Truppe bestellt ist.

Was haben Sie dort erlebt?

Das war bei einem Panzergrenadierbataillon und bei einem Artilleriebataillon. Die einen mussten aus allen Teilen des Heeres ihr Material zusammenleihen, insgesamt um die 15 000 Dinge, vom Nachtsichtgerät bis zum Boxer-Panzer. Die anderen stehen mit sechs schweren Panzerhaubitzen einer Batterie abmarschbereit. Für die übrigen beiden Batterien des Bataillons bleibt damit nichts mehr zum Ausbilden und Üben. Denn natürlich sind die 24 Haubitzen, die das Bataillon strukturell haben sollte, nur zu einem Bruchteil vorhanden, einsatzklar und verfügbar.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (rechts) beim Besuch der Marineschule Mürwik in Flensburg Ende Juli. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Was machen die Soldaten stattdessen?

Technischen Dienst. So heißt das, wenn man nichts anderes auf dem Dienstplan hat. Oder sie machen infanteristische Ausbildung. Eigentlich nicht ihr Job, aber besser als nichts.

Wie sehen die Soldaten das?

Sie empfinden ihre Arbeitsbedingungen derzeit nicht überall als besonders attraktiv. Das ist ja generell das Problem derzeit: Man versucht, jungen Leuten die Bundeswehr als Super-Arbeitgeber nahezubringen - und muss ihnen dann, wenn sie angekommen sind, erklären, dass ihr Dienst so leider nicht möglich ist. Deshalb sagen mir viele Soldaten, dass ich bei dem Thema hartnäckig bleiben soll. Wobei wir gelegentlich auch darauf hinweisen sollten, dass es durchaus positive Entwicklungen gibt: Die Modernisierung der Streitkräfte ist - zu spät, zu teuer, zu viele Kinderkrankheiten, aber immerhin - in vollem Gange. Das gleiche gilt für die Europäisierung, also die immer engere Verzahnung unserer Fähigkeiten mit unseren Bündnispartnern.

Was fordern Sie?

Frau von der Leyen hat ja dankenswerterweise bereits angekündigt, dass die Truppe perspektivisch wieder voll ausgestattet werden soll. Gut! Das ist der Abschied von einer Armee, die aus Kostengründen zum Teil als bloßes Gerüst existiert und das Material hin und her verschiebt. Schluss mit hohlen Strukturen! Jetzt ist es an der Ministerin, konkret zu werden und aufzuzeigen, wie sie die Lücken schließen will. Wie viel Gerät wird wo gebraucht, was wird das kosten, und wann will man es beschaffen? Dabei geht es nicht nur um Flugzeuge und Panzer, sondern auch um manches Kleinzeug: vom modernen Gehörschutz bis zum Poncho. Oder Munition. Die Mangelverwaltung ist im Moment eine flächendeckende Belastung des soldatischen Dienstes.

Noch immer ist man weit vom Nato-Ziel entfernt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben.

Das ist so. Nur dadurch, dass im Haushalt noch einmal 150 Millionen draufgelegt wurden, werden wir im Haushalt 2016 wenigstens 1,17 Prozent erreichen, das sind 0,01 Prozentpunkte mehr als dieses Jahr. Wir brauchen aber eine etwas signifikantere Erhöhung, Richtung 1,2 oder 1,3 Prozent. Die Erreichung der Zwei-Prozent-Quote ist und bleibt irreal. Und ist für Deutschland in der heutigen Lage auch nicht nötig. Dabei betone ich, dass es hier nicht um mehr Militär oder Aufrüstung geht - sondern darum, der Bundeswehr das Gerät zur Verfügung zu stellen, das nach ihrer Struktur und Aufgabe eigentlich da sein sollte.

Um wie viel sollte der Etat also steigen?

Ich will keine Summen nennen. Die Regierung sollte dem Parlament darlegen, was es kosten wird, die Lücken zu schließen und eine Vollausstattung bereitzustellen. Unser Bruttoinlandsprodukt wächst erheblich, die Steuereinnahmen auch. Verbesserungen für die Bundeswehr müssten also nicht zulasten anderer Bereiche gehen.

Sehen Sie den politischen Willen dazu?

Ja, durch die Krise in der Ukraine ist vielen wieder klar geworden, was bei allen Out-of-Area-Einsätzen doch die Grundaufgabe der Bundeswehr bleibt: Landes- und Bündnisverteidigung.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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