Bundeswehr in Mali:Nichts verklären

Lesezeit: 2 min

Am Hindukusch dachten die Politiker einst, deutsche Soldaten müssten dort nur den Brunnenbau flankieren. Was für ein verhängnisvoller Irrglaube. Wenn jetzt die Bundeswehr im Norden Malis aktiv werden soll, muss von Anfang an klar sein: Dies ist eine Risikomission.

Von Christoph Hickmann

Gleichzeitig wird dieser Tage über zwei höchst unterschiedliche Einsätze der Bundeswehr debattiert. Der eine, in Afghanistan, soll nun doch weitergehen, obwohl man lange Zeit dachte, er sei bereits so gut wie beendet. Der andere, im Norden Malis, soll erst noch beginnen - auch wenn die Überlegungen rein formal nur bedeuten, ein bestehendes Engagement deutlich zu erweitern.

In Afghanistan hat ein Nato-geführtes Bündnis mehr als ein Jahrzehnt lang versucht, einen geduldigen Gegner niederzuhalten, um den Aufbau staatlicher Strukturen sowie schlagkräftiger Sicherheitskräfte zu ermöglichen. Zumindest dieser zweite Teil des Vorhabens muss spätestens seit dem Sturm der Taliban auf Kundus als vorläufig gescheitert gelten. In Mali hingegen sollen mehr als 9000 Soldaten im Auftrag der Vereinten Nationen nicht erst mit Waffen Frieden schaffen, sondern ein im Juni unterzeichnetes Friedensabkommen absichern. Und in Afghanistan sind selbst heute noch mehr Bundeswehrsoldaten stationiert, als nun für Mali angedacht sind. Und doch, trotz aller Unterschiede, lässt sich aus dem Afghanistan-Engagement der Bundeswehr eine wichtige Lehre für Mali ziehen.

Der Einsatz im Norden dieses Krisenstaates wäre angesichts der Sicherheitslage die wohl gefährlichste Mission seit Afghanistan. An den dortigen Einsatz ist die Politik, namentlich die damalige rot-grüne Bundesregierung, einst sträflich naiv herangegangen. Die Beteiligung an der internationalen Schutztruppe Isaf galt in deren Kreisen als der "gute" Afghanistan-Einsatz, im Gegensatz zum wesentlich von den USA bestrittenen Anti-Terror-Einsatz. Man redete vom Brunnenbau, von Mädchenschulen, und auch nach Rot-Grün wollten die Verantwortlichen lange nicht wahrhaben, dass die Bundeswehr immer tiefer in eine erbitterte Auseinandersetzung hineingezogen wurde, ohne dafür ausgestattet zu sein.

Von Anfang an muss auch der Politik klar sein: Diese Mission ist eine Risikomission

Diese Gefahr besteht nun ebenso beim möglichen Mali-Einsatz, wenn auch in viel kleinerem Maßstab. Diesmal könnte es das Label "UN-Mission" sein, das dazu verführt, die Sache blauäugig anzugehen oder zu verklären. Deshalb muss von Anfang an auch öffentlich transparent gemacht werden: Dies ist eine Risikomission. Entsprechend muss die Bundeswehr, zumal sie nach bisherigen Überlegungen nicht etwa nur im Lager hocken, sondern auch draußen unterwegs sein soll, von Beginn an über das Maximum an Schutz verfügen. Und eine gewisse Kampfkraft.

Aber ist das überhaupt sinnvoll? Ja, ist es. Von links bis rechts können sich in der deutschen Flüchtlingsdebatte alle darauf einigen, dass man die Fluchtursachen bekämpfen müsse - hier gibt es die Chance dazu. Nun wird es nicht die Aufgabe der Bundeswehr sein, an ihrem mutmaßlichen Stationierungsort Gao, einem Drehkreuz afrikanischer Fluchtbewegungen, die Menschen zur Umkehr zu bewegen. Sie wird auch nicht allein mit ihrer Aufklärungskompanie den Norden Malis stabil halten. Aber sie kann einen Beitrag dazu leisten - mehr als eineinhalb Jahre übrigens, nachdem Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin die neue deutsche Verantwortung ausgerufen haben. Was passiert, wenn solches Bemühen scheitert, ist derzeit in Afghanistan zu besichtigen. Nach fast eineinhalb Jahrzehnten westlicher Präsenz fliehen die Menschen zu Zehntausenden.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: