Bundeswehr-Einsätze:Das Recht, Nein zu sagen

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Bevor die Regierung Soldaten ins Ausland schickt, muss der Bundestag dem zustimmen. So war es immer, und so bleibt es wohl auch - zum Glück. Militärische Abenteuer dürften auf diese Weise noch unwahrscheinlicher werden als ohnehin.

Von Joachim Käppner

In der Weimarer Republik war das Militär der berüchtigte Staat im Staate. Die Reichswehr verweigerte sich der bedrohten Demokratie, um sich nachher den Nazis an den Hals zu werfen. Als vernünftige Lehre aus Weimar ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Die Regierung kann - außer bei Gefahr im Verzug - keine bewaffneten Einsätze ohne Zustimmung der Volksvertretung befehlen, im Gegensatz zu vielen anderen Staaten des Westens. So wird es wohl auch bleiben, und so ist es auch vernünftig.

Die Rühe-Kommission, die diesen "Parlamentsvorbehalt" prüfte, empfiehlt im Wesentlichen, ihn beizubehalten. Nicht wenige in der Union wären ihn gerne teils oder ganz losgeworden, damit die Bundesregierung bei internationalen Friedensmissionen keine mühseligen parlamentarischen Prozesse in Gang setzen muss, wenn es eigentlich schnell gehen soll und die Verbündeten drängen. Man mag einwenden, wie die Gegner des Vorbehalts, dass die schlechten Erfahrungen der Geschichte auf die Gegenwart schwerlich übertragbar sind: die Streitkräfte als Bajonett einer kriegslüsternen politischen "Elite" wie 1914, die Truppe als Feind im eigenen Staat wie in der Weimarer Republik, als Werkzeug des Vernichtungskrieges wie unter Hitler. Heute dagegen ist die Bundeswehr eingebettet in Bündnissysteme demokratischer Nationen, die Gesellschaft friedfertig gestimmt. Dennoch: Die Bundesrepublik ist gut damit gefahren, das Verfassungsgericht hat das Prinzip der "Parlamentsarmee" in mehreren Entscheidungen untermauert.

Skepsis ist auf jeden Fall gesünder als blindes Vertrauen

So wie der Primat der Politik das Militär heute der Regierung unterwirft, so unterwirft der Parlamentsvorbehalt die Regierung der Volksvertretung. Wenn, wie derzeit, deutsche Soldaten kurdische Peschmergakämpfer für den Kampf gegen die IS-Terroristen ausbilden oder afghanische Offiziere schulen, muss vorher die Zustimmung des Bundestages eingeholt werden. Der Kommissionsvorsitzende Volker Rühe, einst für die CDU Verteidigungsminister, hat es treffend zusammengefasst: "Was man nicht begründet, kann man auf die Dauer auch nicht durchsetzen."

2001, zur Zeit der rot-grünen Koalition, haben die meisten Parlamentarier der Regierungsfraktionen nach heftigen Debatten den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gebilligt - weil er nach dem 11. September 2001 sinnvoll begründet war und im Auftrag der UN erfolgte. Andernfalls, ohne eigene Mehrheit, hätte SPD-Kanzler Gerhard Schröder die Zustimmung der Opposition benötigt und dafür mit einem erheblichen Legitimationsdefizit bezahlt. Ein anderes Gedankenspiel. Der Irakkrieg der USA 2003, völkerrechtlich nicht legitimiert und mit Lügen begründet, fand damals in der Union einiges Verständnis. Was hätte eine CDU-Regierung wohl getan, statt wie Schröder Nein zu sagen? Vielleicht wäre erst der Bundestag einer solchen Regierung in den Arm gefallen - Gegner einer deutschen Kriegsbeteiligung gab es bis weit in die Reihen der Union hinein. Das wäre freilich ein krasser Ausnahmefall gewesen; eigentlich funktioniert der Vorbehalt anders herum. Gerade weil die Regierung das Ja ihrer Fraktionen benötigt, schneidet sie Einsätze von vornherein so zurückhaltend zu, dass diese auch zustimmungsfähig sind. Militärische Abenteuer dürften auf diese Weise noch unwahrscheinlicher werden als ohnehin.

Viele Deutsche sehen Friedensmissionen ihrer Streitkräfte skeptisch, manchmal zu skeptisch, selbst wenn der Einsatz, wie jetzt in Kurdistan, dem Schutz von vielen Menschen dient. Aber Skepsis ist gesünder als blindes Vertrauen. Wer sie überwinden will, muss überzeugen. Und wer überzeugen will, muss sensible Fragen wie den Einsatz von Militär eben besonders gut begründen.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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