Bundesverfassungsgericht:Karlsruhe prüft die Gesundheitsreform

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Die Reform endet vor dem höchsten Gericht: Privatversicherer halten Teile der Gesundheitsreform für verfassungswidrig.

Helmut Kerscher

Der jahrelange Streit um die Gesundheitsreform ist vor dem Bundesverfassungsgericht fortgesetzt worden. In einer mündlichen Verhandlung griffen Vertreter von privaten Krankenversicherungen wesentliche Teile der Reformgesetze als existenzbedrohend und verfassungswidrig an. Im Zentrum standen die Verpflichtung zum Anbieten und Abschließen eines Basistarifvertrags sowie die Mitnahme von Altersrückstellungen beim Wechsel der Versicherung.

Das Bundesverfassungsgericht wird sich die Gesundheitsreform zur Prüfung vornehmen. (Foto: Foto: dpa)

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte die Reform als notwendig und verfassungsgemäß. Die Politik habe die "systematischen Wettbewerbsverzerrungen" zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr hinnehmen können. Die Fragen des Ersten Senats ließen im Hinblick auf die Beschwerden überwiegend Skepsis erkennen.

Das Verfassungsgericht hatte nach den Worten seines Präsidenten Hans-Jürgen Papier acht Musterverfahren aus Verfassungsbeschwerden von 29 Krankenversicherungen und mehreren Versicherungskunden ausgewählt. Dazu zählten die Versicherungen Allianz, Axa, Debeka, Süddeutsche Krankenversicherung und Victoria sowie drei Versicherte. Sie sahen durch die Gesundheitsreform mehrere Grundrechte als verletzt an, insbesondere die Eigentumsgarantie, den Gleichheitssatz, die Berufsfreiheit und die allgemeine Vertragsfreiheit.

Einige Regelungen der im Jahr 2007 beschlossenen und am 1. Januar 2009 wirksam werdenden Gesetze könnten das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung (PKV) zerstören. Die Kläger zielen vor allem auf die Pflicht zu einem einheitlichen Basistarif, der nach seinem Leistungsumfang mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichbar sein und zum Höchstbeitrag der GKV angeboten werden muss.

Victoria-Generaldirektor Günter Dibbern sprach von einem "systemwidrigen Fremdkörper" und einem "nicht kalkulierbaren Risiko". Ebenso scharf kritisierte er die künftige Übertragbarkeit von Teilen der Altersrückstellungen bei einem Wechsel der Versicherung. Von dieser Möglichkeit würden Gesunde profitieren. Dibbern sah eine "Tendenz zur existenziellen Schwächung der privaten Krankenversicherung. Die Branche zeige zwar nach außen eine "Art Rest-Optimismus", fürchte aber um ihr Geschäftsmodell. Die PKV könne durch die Reformgesetze teuer und unattraktiv werden. Dibbern sprach von Beitragserhöhungen um 50 Prozent. Schon jetzt seien die Neuzugänge "dramatisch" eingebrochen.

Datenverweigerung beklagt

Demgegenüber sagte Gesundheitsministerin Schmidt, die Belastungen der PKV hielten sich in engen Grenzen. Es handle sich um "schonende Korrekturen bestehender Defizite und Ungleichheiten". Die Politik habe handeln müssen, um das zweigliedrige System erhalten zu können und habe mit breiter Mehrheit entschieden. Derzeit seien 85 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen und rund zehn Prozent in der privaten Krankenversicherung.

Die Mitgliederzahl der gesetzlichen Krankenversicherung sei in den letzten Jahren gesunken, sie habe pro Jahr 700 bis 900 Millionen Euro verloren. Gerade Junge, Gesunde und überdurchschnittlich Verdienende seien zu den Privaten gewechselt. Viele Alte, chronisch Kranke und Behinderte seien der GKV geblieben. Ziel der Reform sei, "gerechte und faire Rahmenbedingungen für alle Beteiligten" zu schaffen. Dem diene auch der Bundeszuschuss von bis zu 14 Milliarden Euro an die GKV für beitragsfreie mitversicherte Kinder.

Im Streit über die Auswirkungen der Reform argumentierten die Sachverständigen Bert Rürup und Ulrich Meyer nicht im Sinn der PKV. Rürup, der sich über verweigerte Daten der PKV beklagte, sah "keine sehr großen Probleme" für die Unternehmen. Er glaube nicht an einen massenhaften Wechsel in den teuren Basistarif. Meyer nannte es "völlig unrealistisch", dass die PKV-Prämien immer stärker stiegen als die GKV-Beiträge.

© SZ vom 11.12.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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