Bundestag:Neue Regeln für Spätabtreibungen beschlossen

Lesezeit: 2 min

Der Bundestag hat mit klarer Mehrheit für die striktere Regelung bei Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche votiert. Ärzte sind künftig zur Beratung verpflichtet.

Katja Riedel

Nach jahrelangen Diskussionen hat der Bundestag am Mittwochabend mit einer Mehrheit von 326 zu 234 Stimmen die Regelungen für die umstrittenen Spätabtreibungen verschärft. Das Gesetz schreibt eine dreitägige Frist zwischen Diagnose und Abtreibung vor, die nur aufgehoben werden darf, wenn akute Gefahr für das Leben der Mutter besteht.

Der Bundestag hatte über ein heikles Thema zu entscheiden. (Foto: Foto: Reuters)

Diese Beratungspflicht hatte es zuvor nicht gegeben. Sie soll verhindern, dass Eltern im ersten Schock nach der Diagnose eine Entscheidung gegen ein schwerbehindertes Kind treffen. Der Arzt, der die Diagnose gestellt hat, muss jetzt verpflichtend eine Beratung anbieten. Anderenfalls droht ihm ein Bußgeld. Die Schwangere kann die Möglichkeit nutzen, muss dies aber nicht. Abgelehnt haben die Parlamentarier einen Passus, der eine statistische Meldepflicht vorgesehen hatte.

Zur Abstimmung standen zwei konkurrierende Entwürfe zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. In beiden Versionen ging es um Schwangerschaftsabbrüche, die nach der zwölften Woche vorgenommen werden. Als Spätabtreibungen werden aber vor allem Abbrüche nach der 22. Woche bezeichnet. Von diesem Zeitpunkt an gelten Föten als lebensfähig. Straffrei bleibt eine Spätabtreibung, wenn die Gesundheit der Mutter gefährdet ist - seelisch oder körperlich.

Bundesrat kann das Gesetz noch kippen

Deshalb werden viele Föten abgetrieben, die mit schweren Behinderungen auf die Welt kommen oder bald nach der Geburt sterben würden. Argumentiert wird, dass die Frau die Geburt eines schwerbehinderten Kindes seelisch nicht verkraften könne. Im Jahr 2007 wurden laut Statistischem Bundesamt 229 Kinder nach der 22.Schwangerschaftswoche abgetrieben. Das Gesetz soll voraussichtlich am 12.Juni den Bundesrat passieren, ist aber nicht zustimmungspflichtig. Wie bei Gewissensentscheidungen zu ethischen Fragen üblich, galt bei der Abstimmung im Bundestag kein Fraktionszwang.

Hauptinitiator der Gesetzesänderung war der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer. Seinem Gruppenantrag hatte sich auch eine Minderheit der SPD-Fraktion angeschlossen, unter ihnen die Vorsitzende des Familienausschusses, Kerstin Griese, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt und die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles. Für die FDP trat Ina Lenke für den Antrag ein. Auch einige Grüne unterstützten das Gesetz. "Heute ist ein guter Tag für das Parlament", sagte Singhammer.

Vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass es einen fraktionsübergreifenden Konsens geben könnte. "Wir wollen Frauen in einer existentiellen Notlage helfen und so die Zahl der Spätabtreibungen senken", betonte er. "Damit haben wir eine bessere psychosoziale Hilfe für die betroffenen Frauen gesetzlich garantiert", sagte Kerstin Griese. Die Fraktion der Linken lehnte beide Anträge ab.

In der SPD-Fraktion hatte das Thema für Streit gesorgt. Eine Gruppe um Fraktionsvize Christel Humme hatte sich für das Selbstbestimmungsrecht der Frau und gegen eine Gesetzesänderung stark gemacht. Vor wenigen Tagen hatte Humme einen alternativen Entwurf vorgelegt. Statt einer Drei-Tages-Frist wollte sie eine "ausreichende Frist, in der Regel drei Tage" ansetzen. Dies unterstützte auch eine Mehrheit der Grünen.

© SZ vom 14.5.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: