Bundesleistungszentrum:"Boah", sagt die Kanzlerin

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Angela Merkel besucht die olympischen Athleten in Kienbaum. 61 Millionen Euro hat der Staat bisher für das Trainingsareal ausgegeben, das künftig "Olympisches und Paralympisches Trainingszentrum für Deutschland" heißt.

Von Pia Ratzesberger, Berlin

Die Kanzlerin zieht jetzt erst einmal die Schuhe aus. Die anderen laufen nur mit Socken durch die Turnhalle, die Sportler, die Trainer und die Funktionäre. Also steht nun auch Angela Merkel (CDU) strumpfsockig vor dem Reck und sieht zu, wie sich ein Athlet nach dem anderen in der Luft dreht. Die Reckstange biegt sich, als wäre sie aus Knete, der Turner landet mit einem Knall auf der Matratze und die Kanzlerin sagt: "Boah".

Als der nächste Athlet sich in die Luft wirft, hebt sie die Hände vor den Mund, skeptisch, als hoffe sie, dass er wieder heil aufkommt. Aber sie hat ja die Besten des Landes vor sich, in Kienbaum. Auf dem Gelände östlich von Berlin schwitzten früher einmal die Talente der DDR, heute ist Kienbaum eines von vier Bundesleistungszentren im Land. Einer von den Orten, an denen Deutschland in mehreren Sportarten seine Olympiasiege vorbereitet, und deshalb ist nun auch die Kanzlerin zum Sommerfest gekommen. Die Athleten trainieren für den Wettkampf. Und Angela Merkel ist im Wahlkampf.

61 Millionen Euro hat der Staat bisher für Kienbaum ausgegeben

Die Kanuten stehen schon am See bereit, Max Rendschmidt, Olympiasieger, zeigt der Kanzlerin das Gefährt. Wie er mit seinem Kollegen lenkt, wo hinten das Steuer liegt. Merkel lächelt, nickt, sagt: "sehr schön" und "wunderbar". Dann kommt sie wohl noch aufs Rudern zu sprechen, Kanuten aber hören das nicht gerne, einer der Männer am Kajak sagt nur: Das sei doch ein "komplett anderer Sport". Um sich anderen Sport anzusehen, steigt Merkel ins Auto, das Gelände ist etwa 60 Hektar groß. Nicht nur Kunstturner und Kanuten, auch Bogenschützen, Volleyballer und Sportler aus einem Dutzend anderer Disziplinen trainieren hier, ebenso die Bundespolizei; 61 Millionen Euro hat der Staat bisher für Kienbaum ausgegeben. Später, als die Kanzlerin auf der kleinen Bühne vor der Festwiese steht, sagt sie, das Geld sei gut investiert. Genauso formulierte sie das vor sieben Jahren schon einmal, als sie den Preis "gelebte Einheit" vergab.

Zu einer anderen großen Geldfrage aber sagt sie nichts. Zur Leistungssportreform, dem umstrittenen Projekt des Bundesinnenministeriums und des Deutschen Olympischen Sportbundes, nach dem vor allem die Disziplinen viel Geld bekommen sollen, die viele Medaillen gewinnen. Die Kanzlerin erzählt stattdessen von ihrem Angelschein, von dem See, an dem sie bis heute ihr Wochenendhaus hat. In der DDR sei eine Fahrt auf manchen Gewässern nur mit solch einem Schein erlaubt gewesen. "Ich war dann auch Kassiererin des Angelvereins."

Hinter der Kanzlerin fällt das Plakat zu Boden, auf dem "Bundesleistungszentrum Kienbaum" steht, auf dem zweiten Plakat ist jetzt der neue Name zu lesen: "Olympisches und Paralympisches Trainingszentrum für Deutschland". Angela Merkel lobt also wieder die Einheit in Kienbaum, diesmal die zwischen Sportlern mit und ohne Behinderung. Sie übergibt Max Rendschmidt den Kienbaum Award, eine Ehrung für Sportler, die ein gutes Vorbild abgeben. Ziemlich schwer scheint die Trophäe zu sein, als Merkel sie in den Händen hält, sagt sie: "Nicht gerade Kanu-like". Aber der Athlet müsse ja sicher auch Krafttraining machen.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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