Bürgerschaftswahl in Bremen:Ein seltsamer Kampf um die Stimmen

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Bürgermeister Henning Scherf möchte zum Verdruss der SPD die Große Koalition fortsetzen - und in der CDU fürchtet man einen Sieg.

Reymer Klüver

(SZ vom 06.05.03) - Helmut Kohl war schon da. Und die Unionisten haben ihn umjubelt. 3000 waren sie im Bremer Park-Hotel - als hätte sich nichts geändert im, sagen wir einmal, Laufe der letzten fünf Jahre. Gerhard Schröder war noch nicht in Bremen. Und darüber sind die Genossen an der Weser auch ganz froh. Ein Containerterminal und ein Unternehmen wird der Kanzler in der Hansestadt besichtigen in den kommenden Tagen, praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Eine Großkundgebung mit ihm wird es nicht geben. Da hat sich was verändert bei den Sozialdemokraten im, sagen wir mal, Laufe des letzten Jahres. Hektisch versuchen sie, die Bundespolitik aus ihrem Wahlkampf herauszufiltern - und sei es, indem sie Polit-Prominenz mit Malus-Faktor fern halten. Es ist ein seltsamer Wahlkampf in Bremen, nicht nur deshalb.

In drei Wochen wird in Bremen die Bürgerschaft, das Landesparlament, neu gewählt. Und wie es aussieht, könnte hier erstmals die schwarze Serie der Roten gebrochen werden. Erstmals nach ihren desaströsen Niederlagen nach der Bundestagswahl - in Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein - könnte die SPD am 25.Mai in Bremen immerhin ihre Position halten. Und doch herrscht bei ihnen kein Jubel.

Die Strafe wird ausbleiben

Um die 42 Prozent billigen ihnen die Meinungsforscher konstant in den vergangenen Wochen zu, egal von wem die Umfrage in Auftrag gegeben wurde. Vor vier Jahren erreichten die Sozialdemokraten 42,6 Prozent. Die CDU liegt derzeit bei gut 35 Prozent (1999: 37,1); die Grünen kommen auf 13 Prozent (1999: neun). Der FDP geben die Wahlforscher mit vier Prozent wieder keine Chance (1999: 2,5), in den Landtag einzuziehen. Eine Konstellation also, die in jedem anderen Bundesland als gewaltige Bestätigung für das rot-grüne Politikmodell gewertet werden würde.

In Bremen aber ist das ein bisschen anders. Erstens wird es wieder eine große Koalition von SPD und CDU geben. Zweitens wird sich die SPD in Bremen über den so gearteten Machterhalt nur mäßig freuen. Drittens wird sich ihr Spitzenkandidat darüber aber um so entzückter geben: Henning Scherf, seit acht Jahren überaus beliebter Bürgermeister der Hansestadt und unumstrittener Chef des rot-schwarzen Elefantenbündnisses im gotischen Rathaus.

An Scherf kommt niemand vorbei

Nur ihm wird es die SPD zu verdanken haben, wenn sie in Bremen nicht genauso abgestraft werden wird wie im Rest der Republik. An Scherf kommt in Bremen niemand vorbei. Seine Popularitätswerte liegen heute höher denn je - vielleicht ist auch das eine Reaktion auf die zunehmende Verunsicherung im Wahlvolk. Bei einer Direktwahl würde der 64-Jährige eine satte Zwei-Drittel-Mehrheit der Bremer hinter sich bringen.

Der CDU-Spitzenkandidat, Finanzsenator Hartmut Perschau, käme auf lächerliche 19 Prozent. Nur weil Scherf an der Spitze steht, so die übereinstimmende Analyse aller Wahlforscher, wird der seit dem Krieg ununterbrochen in Bremen regierenden SPD mehr zugetraut als der Union.

Und an Scherf liegt es auch, dass die große Koalition wohl weiter regieren wird, selbst wenn es für Rot-Grün gut reichen würde. Er lässt keinen Zweifel, dass die große Koalition "die richtige Antwort" auf die Probleme des Stadtstaates ist, auf hohe Schulden, viele Arbeitslose, geringe Steuereinnahmen.

Zusammenarbeit unter Sanierungsbedingungen

Acht Jahre, sagte er erst vergangene Woche in einer Diskussionsrunde im Bremer Stadtteil Hemelingen, einem alten Industriebezirk, habe sich nun die Zusammenarbeit von SPD und CDU "unter Sanierungsbedingungen" bewährt. Und die Sanierung des maroden Bremer Haushaltes sei frühestens in zwei Jahren abgeschlossen. Die Koalition nannte Scherf einen "Segen für Bremen", und nirgendwo bekam er mehr Beifall im Publikum als an dieser Stelle.

Tatsächlich halten wohl drei Fünftel aller Bremer die große Koalition für die beste Regierungsform in ihrem kleinen Bundesland. Seine Partei fuchst dieses eindeutige Votum Scherfs gewaltig, doch der hat zu verstehen gegeben, dass er für eine andere Regierungskonstellation nicht zur Verfügung steht.

Was also soll die Partei da noch machen? Hatten sie nicht im Februar beschlossen, ohne Koalitionsaussage ins Rennen zu gehen, statt dessen nur einen Wahlkampf zu Gunsten ihres Spitzenkandidaten zu führen? Und was macht der? Lächelt verbindlich und gibt zu verstehen, dass er weiterhin mit den Christdemokraten paktieren will.

Die CDU will am liebsten alles beim Alten lassen

Bremens Parteichef Detlev Albers, 58 Jahre alt, spiegelt die Qualen seiner Partei geradezu exemplarisch. Er war einst ein Stamokap-Linker (während Scherf als undogmatischer Linker geführt wurde), hatte 1989 am Berliner Grundsatzprogramm der SPD mitgearbeitet, das die Öffnung zu Rot-Grün bedeutete. Und nun muss er zusammen mit Scherf das Bündnis mit den Schwarzen tragen.

Albers sagt "tragen", wo seinen Spitzenkandidat von einer einzigartige Erfolgsstory redet. Aber, sagt Albers und lächelt fein, "die Begeisterung für Rot-Grün hat sich nicht besonders entfalten können angesichts von Rot-Grün in Berlin". Wenn sich also das Wahlergebnis in Bremen "als Bestätigung von Rot-Schwarz" erweise, werde auch er für die Neuauflage dieses Bündnisses sein.

Für dieses Bündnis sind die Bremer Christdemokraten allemal; etwas Besseres finden sie nämlich nicht. Und deshalb fürchten sie fast schon ein Ergebnis, bei dem die CDU erstmals in Bremen stärkste Partei werden würde - was zwar als wenig wahrscheinlich erscheint, beim gegenwärtigen Bundestrend aber auch nicht ganz ausgeschlossen. Denn das würde ihnen die Regierungsjobs kosten; eine große Koalition mit einem Juniorpartner SPD wird es nicht geben.

Dann würden die Sozialdemokraten ohne Scherf mit den Grünen gemeinsame Sache machen. Zwar tönt der Chef der CDU in der Bürgerschaft, Jens Eckhoff, seine Fraktion würde sich auf in dem Fall "keine Sorgen machen", wenn sie die meisten Abgeordneten stellten, doch ernsthaft arbeitet in der Union niemand daran: Die CDU will am liebsten alles beim Alten lassen.

Die Mühen der Kleinen

Und so greift ihr Spitzenkandidat Perschau zwar Rot-Grün in Berlin an, stöhnt über das Reform-Wirrwarr und spottet öffentlich über das "Hausverbot", das die SPD ihrem Kanzler in Bremen erteilt habe, doch inhaltlich herrscht Burgfrieden mit dem Partner. Streitpunkte wie die Umgestaltung des einst von SPD-Linken geformten Bremer Schulsystems oder die überproportional hohen Sozialhilfeleistungen in Bremen werden gar nicht erst angesprochen. Nach der Wahl müssen sie ja auch noch was zu bereden haben.

Dafür loben die CDU-Leute die Gemeinsamkeiten. Die Wirtschaftspolitik, die 10000 mehr Jobs in den vergangenen drei Jahren ermöglicht hat; die Strategie, zu sparen und trotzdem zu investieren. Gegen so viel Einigkeit kommen die Kleinen nicht an. Die Grünen mühen sich zwar redlich, mit Sachargumenten Opposition zu machen; sie werden dafür auch belohnt werden, wenn die Demoskopen sich nicht täuschen.

Doch den Trend zur großen Koalition haben sie nicht brechen können, Wechselstimmung gibt es in Bremen nicht. Noch viel weniger hat die FDP etwas dafür getan: Sie beförderte ausgerechnet einen Mann an die Spitze und auf die Plakate, dem maßgeblich das Scheitern der Ampel-Koalition 1995 zugeschrieben wird: den damaligen Wirtschaftssenator Claus Jäger. Und an die Zeit der Ampel will sich in Bremen nun wirklich niemand zurückerinnern.

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