Bürgermeisterwahl in New York:Bloombergs Erben

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Wie im Puppentheater: Der Wahlkampf um die Nachfolge von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg wird zunehmend bizarr. (Foto: AFP)

Nicht unumstritten, aber erfolgreich: Nach zwölf Jahren tritt New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg ab und hinterlässt eine große Lücke. Die Spannung steigt, wer seine Nachfolge antritt. Dummerweise hat Hillary Clinton kein Interesse und Kandidat Anthony Weiner steckt mitten in einem Sexskandal.

Von Nikolaus Piper, New York

In Amerikas größter Stadt geht eine Epoche zu Ende. Die New Yorker werden bald einen neuen Bürgermeister wählen, Amtsinhaber Michael Bloomberg, 71, tritt nach zwölf Jahren ab. Und worüber redet die Stadt? Über Sex. Genauer: Über Nacktfotos und schlüpfrige E-Mails, die der 48-jährige demokratische Kandidat Anthony Weiner über Facebook an mehrere Frauen verschickt hat.

Der Demokrat hatte wegen des Skandals schon 2011 sein Kongressmandat niederlegen müssen; er gelobte Besserung - und kündigte dann an, dass er Bürgermeister werden wolle. Vorige Woche kam nun heraus, dass er die unappetitlichen Mitteilungen nach seiner öffentlichen Buße fortsetzte - die maximale Demütigung für seine Frau Huma Abedin, eine enge Vertraute von Ex-Außenministerin Hillary Clinton. Und der bisherige Tiefpunkt des Wahlkampfs.

Der Sexskandal mit dem schier unerschöpflichen Satire-Potenzial - Weiner nannte sich im Internet "Carlos Danger" - lenkte eine Zeit lang davon ab, wie schwach das Feld der Kandidaten für die Nachfolge Bloombergs ist. Der machtbewusste Milliardär ist alles andere als unumstritten, aber auch seine vielen Kritiker räumen ein, dass sich die Stadt unter ihm zum Besseren verändert hat - sie ist sicherer, moderner und menschlicher geworden.

Bloomberg sorgt sich um sein Erbe

Bloomberg macht sich erkennbar Sorgen um sein Erbe und zwar so sehr, dass er sich selbst auf die Suche nach einem würdigen Nachfolger machte. Ende 2012 rief er Ex-Außenministerin Hillary Clinton an, um sie zu einer Kandidatur für die Wahl am 5. November zu überreden. Die lehnte dankend ab - vielleicht bewirbt sie sich ja doch 2016 um die US-Präsidentschaft.

Das Telefonat und die Tatsache, dass es bekannt wurde, war vor allem ein Affront für die aussichtsreichste Kandidatin: Christine Quinn, 47, Sprecherin des Stadtrats. Sie hatte Bloomberg fast immer loyal unterstützt; jetzt hoffte sie auf eine formelle Unterstützung - doch die blieb bisher aus. Die Demokratin Quinn gibt sich wirtschaftsfreundlich und versucht gleichzeitig, die linke Basis ihrer Partei nicht zu verprellen. Der Spagat hat zur Folge, dass viele Wähler nicht sagen können, wofür Quinn eigentlich steht. Immerhin wäre sie die erste Frau an der Spitze der Stadt. Ihre Wahl wäre auch ein Stück kultureller Wandel: Quinn ist lesbisch und heiratete 2012 ihre Partnerin, die Anwältin Kim Catullo.

Ihr wichtigster Konkurrent ist Bill Thompson, 60, zuvor "City Comptroller", also gewählter Rechnungsprüfer der Stadt. Thompson hatte schon vor vier Jahren kandidiert; dabei war er zwar gegen Amtsinhaber Bloomberg und dessen Geld unterlegen, hatte aber doch mit nur 4,6 Prozentpunkten Rückstand sensationell gut abgeschnitten. Der schwarze Thompson vertritt, ähnlich wie Quinn, meist zentristische Positionen und wird von vielen kleinen Geschäftsleuten unterstützt.

New York wird traditionell von Demokraten dominiert

In Opposition zu Quinn und Thompson versuchen sich die beiden linken Kandidaten Bill de Blasio, der Ombudsmann der Stadt, und John Liu, der amtierende City Comptroller, zu profilieren. Nach jüngsten Umfragen würden 24 Prozent der New Yorker für Christine Quinn stimmen, 16 Prozent trotz allem für Anthony Weiner und jeweils 14 Prozent für Thompson und de Blasio.

New York ist eine traditionell von Demokraten dominierte Stadt - Barack Obama bekam hier 2012 stolze 81 Prozent der abgegebenen Stimmen. Daher werden die republikanischen Kandidaten derzeit nur am Rande beachtet: der frühere Chef der New Yorker U-Bahn, Joseph Lohta, und John Catsimatidis, ein etwas exzentrischer Millionär und Eigentümer einer Lebensmittelkette. Alle glauben: Wer die demokratischen Vorwahlen am 10. September gewinnt, der wird auch Bürgermeister.

Nur scheinbar ein Widerspruch ist die Tatsache, dass trotz der demokratischen Übermacht im New Yorker Rathaus seit 1994 republikanische Bürgermeister regieren - erst der beinharte Rudy Giuliani und dann, von 2002 an, Michael Bloomberg, der ursprünglich als Republikaner antrat, heute aber als "Unabhängiger" firmiert. Das hat mit dem Versagen der Demokraten zu tun. Giuliani wurde nur deshalb gewählt, weil sein demokratischer Vorgänger David Dinkins mit dem Verbrechen in New York nicht fertig wurde. Bloomberg setzte sich acht Jahre später durch, weil die New Yorker nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf Sicherheit setzten.

Bloomberg hat Geld und Rückgrat, sich über Lobbygruppen hinwegzusetzen

Die Frage ist, ob die Demokraten in der Lage sind, aus diesen Niederlagen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Früher ließen sie sich immer wieder zum Instrument von Interessengruppen machen, vor allem der mächtigen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Bloomberg hatte genügend Rückgrat und Geld, um sich meist - nicht immer - über die Gruppen hinwegzusetzen. Als Medienunternehmer hatte er ein Vermögen von 25 Milliarden Dollar erworben, als Bürgermeister arbeitete er für das symbolische Gehalt von einem Dollar. Er ging die Lehrergewerkschaft und die Waffenlobby an, er ließ gegen heftigen Widerstand Radwege bauen und am Times Square eine Fußgängerzone einrichten. Bloombergs Sturheit zeigt sich bei seiner Anti-Raucherkampagne und dem Kampf gegen Salz und süße Limonaden ebenso wie bei seiner festen Überzeugung, eigentlich unentbehrlich zu sein.

Einige ungelöste Probleme wird Bloomberg hinterlassen, wenn er am 31. Dezember geht. Zum Beispiel beim Umgang mit dem Verbrechen. Unter ihm und Vorgänger Giuliani ist New York zu einer der sichersten Großstädte der USA geworden. Im Jahr 1990 wurden allein in der Bronx 651 Menschen ermordet. Im vorigen Jahr waren es noch 114 und in diesem Jahr dürften es weniger als 100 werden. Der Erfolg hatte viele Ursachen, eine davon jedoch ist "Stop and Frisk", eine äußerst umstrittene Polizeimethode: Polizisten dürfen Menschen auf der Straße anhalten, befragen und durchsuchen ( frisk), auch ohne dass ein konkreter Verdacht vorliegt.

Die Schulpolitik soll sich ändern, keiner sagt, wie

Polizeichef Ray Kelly verweist darauf, dass auf diese Weise schon Zehntausende illegale Waffen eingesammelt wurden. Bürgerrechtler werfen der Polizei dagegen Willkür und "racial profiling" vor, weil 90 Prozent der so gestoppten Schwarze oder Männer mit lateinamerikanischem Hintergrund sind. "Ich werde Stop and Frisk nicht abschaffen, aber es ist furchtbar übertrieben worden", sagte die Kandidaten Quinn. Was das konkret bedeutet, bleibt offen.

Und dann die Schulpolitik. New Yorks Schulen befanden sich in einem desolaten Zustand, als Bloomberg 2001 sein Amt antrat. Weniger als die Hälfte aller Kinder verließ die Highschool mit einem Abschluss. Bloomberg entmachtete die gewählten Schulausschüsse und reformierte das System wie ein Diktator. Schlechte Schulen wurden geschlossen, neue eröffnet, die Standards erhöht und Lehrer nach ihrer Leistung bewertet. Heute erreichen 65 Prozent der Kinder einen Abschluss - eine klare Verbesserung, aber doch enttäuschend angesichts des Anspruchs Bloombergs. Alle Kandidaten versichern, die Schulpolitik müsse sich ändern, keiner sagt jedoch wie.

Schließlich muss der nächste Bürgermeister dem erklärten Wunsch der Gewerkschaften widerstehen, nach den schwierigen Bloomberg-Jahren für ihre Mitglieder großzügige Verbesserungen herauszuholen. Die Stadt hat dafür kein Geld. Im Haushalt ist zu spüren, dass die Wall Street nicht mehr die Steuermilliarden liefert wie vor der Finanzkrise. Sollten die Demokraten in alte Muster zurückfallen und Gefälligkeiten verteilen, wären die Folgen verheerend - für die Stadt und für die Demokraten selbst.

© SZ vom 29.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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