Bürgerkrieg im Kongo:Die Hölle im Paradies

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Michael Bitala

(SZ vom 31.5.2003) Nairobi, 30. Mai - Es gibt in der Demokratischen Republik Kongo bessere Ziele als die Gegend um Bunia. Nicht, dass die Landschaft enttäuschend wäre, im Gegenteil. Bei einem Ausflug vor einiger Zeit führte die Fahrt durch die Berge, durch riesige Bananen-, Kaffee-, Tee-, Papaya- und Avocadofelder. Es ging an malerischen Dörfern vorbei, an Siedlungen aus Lehm- und Strohhütten und an großen Rinderherden. Und an jedem dieser Orte liefen Dutzende Kinder auf das Auto zu, sie winkten und lachten, und fast glaubte man, dass so das afrikanische Paradies aussehen könnte.

Heute aber sind die meisten Dörfer niedergebrannt und ihre Bewohner ermordet oder vertrieben worden. Heute ist der Ituri-Distrikt im Nordosten Kongos die Hölle. Zwei Volksgruppen metzeln sich gegenseitig nieder, und ihre Killer sind zum größten Teil betrunkene oder mit Drogen voll gepumpte Kindersoldaten, die mit Kalaschnikows in der Hand und Handgranaten in den Hosentaschen Jagd auf Zivilisten machen.

Sie töten, vergewaltigen, verstümmeln ihre Opfer - und teilweise, das hat ein UN-Bericht bestätigt, essen sie auch deren Fleisch.

Es ist ja nicht so, als ob dieser Horror erst jetzt stattfinden würde. Es hat seit 1999 schon viele Gräueltaten rund um Bunia gegeben. In Drodro zum Beispiel, in Nyankunde oder in Blukwa. Orte, die fast keiner außerhalb Kongos kennt und die auch keine internationalen Schlagzeilen gemacht haben, als 300, 500 und auch mal mehr als 1000 Menschen an einem einzigen Tag abgeschlachtet wurden.

Seit dem Beginn des kongolesischen Bürgerkriegs im August 1998 entlädt sich der Hass der beiden Völker Hema und Lendu. Sie führen einen Stellvertreterkrieg, bei dem die verfeindeten Kongo-Besatzer Uganda und Ruanda Regie führen. Die beiden Nachbarstaaten kämpfen im Ituri-Distrikt um die Vorherrschaft, weil die Gegend reich ist an Gold, Diamanten, Edelhölzern, seltenen Mineralien und vermutlich auch an Öl.

Erst jetzt aber, seit vor den Augen von Blauhelmsoldaten auch in der Provinzhauptstadt Bunia gemordet wird, seit die Kinderkrieger auch die UN-Männer aus Uruguay bedrohen, schreckt die Internationale Gemeinschaft auf.

Unter der Führung Frankreichs werden in den nächsten Tagen rund 1400 Soldaten einer internationalen Eingreiftruppe nach Bunia geschickt werden, die Zustimmung des Weltsicherheitsrats für diese Intervention galt am Freitag nur noch als Formsache.

Aber es ist fraglich, ob dieser Einsatz ähnlich erfolgreich sein wird wie der französische Eingriff in der Elfenbeinküste. Dort haben ein paar Tausend Mann in kurzer Zeit einen Waffenstillstand erzwungen.

Im Vergleich mit Kongo aber könnte die Intervention in der Elfenbeinküste ein Spaziergang für die Franzosen gewesen sein. Denn der neue Einsatz ist hochkompliziert und sehr gefährlich. Das fängt schon bei der Frage an, wie die Soldaten nach Bunia gebracht werden. Der Flughafen ist in einem elenden Zustand. Es wird geschätzt, dass maximal zwei oder drei größere Maschinen am Tag dort landen können.

Deshalb wird von Diplomaten das kenianische Eldoret als möglicher Stützpunkt genannt oder Bangui, die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Doch was nützt eine Friedenstruppe, die viele Hundert Kilometer vom Ort des Gemetzels entfernt ist? Und selbst wenn sich der Flugplatz von Bunia als geeignet erweist, es gibt in dieser Gegend so gut wie keine Infrastruktur.

Wer die Stadt verlassen will, muss schon während der Trockenzeit für 30 bis 40 Kilometer eine halbe Tagesreise einplanen, so marode sind die Straßen. Derzeit herrscht Regenzeit.

Das größte Problem aber wird sein, dass die französischen Soldaten von einem Teil der ethnischen Milizen als Feinde betrachtet werden. Sie werfen Frankreich vor, nach dem Völkermord in Ruanda die Täter geschützt zu haben.

Französische Militärs errichteten damals einen Sicherheitskorridor, durch den auch massenweise Hutu-Mörder in das Nachbarland Kongo geflohen sind. Ein Teil dieser Extremisten hält sich heute noch dort auf. Da sich die kongolesischen Hema mit den Tutsi identifizieren, fürchten sie nun, dass die Franzosen ihre Feinde - die mit den Hutu verwandten Lendu - unterstützen werden.

Diese haben ihre Milizen schon in den Hügeln rund um Bunia postiert und warten nur darauf, die Stadt von den Hema zurückzuerobern. Das Eintreffen der Friedenstruppe könnte für beide Völker das Signal für eine neue Großoffensive sein.

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